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Es wurde bissel was Größeres, weil ich hab wirklich viel erlebt. Ich habs daher nach Tagen geordnet. Wer alles davon lesen will, der sollte sich die einzelnen Tage ausdrucken, die Seiten mit in die Sauna nehmen, sich dort auf einen Heimtrainer setzen und fleißig radeln.
Teilweise sind in den Tagesberichten ein bisschen viele Bilder, aber naja.
Mit dem Fahrrad gefahrene Strecke insgesamt: 1030,33 km
27.08.2006 - Zugfahrt von Nürnberg bis Poitiers/F
Früh war ich spät dran und erwischte grad noch so meinen Zug am Nürnberger Hauptbahnhof. Das Zug-Gefahre war von Anfang an ziemlich stressig und ich fühlte mich dabei gar nicht wohl, konnte ich doch den ganzen Ablauf nicht selbst bestimmen: einfach dumm im Zug rumsitzen und andere lenken lassen. Das war ich nicht gewöhnt und daran wollte ich mich auch nicht gewöhnen. Das nächste Mal flieg ich lieber auf so einer langen Strecke, dann hab ich den passiven Reiseteil eher hinter mir.
28.08.2006 - Ankunft in Hondaye/F und Fahrt nach Donostia San Sebastian ans Meer
Um 6:24 Uhr ging mein Zug. Grad noch rechtzeitig kam ich aus dem Bett, stand dann aber im Foyer der Pension und kam nicht raus, da alles abgesperrt war. Am Ende schaffte ichs doch noch und erwischte auch den Zug.
Nachmittags kam ich in Hondaye an und radelte gleich nach San Sebastian auf spanischen Boden. Ich wollte nicht wieder in so ne teuere Absteige, Herbergen fand ich keine, ein Zelt zu kaufen gab es nicht und dann fing es noch an, heftig zu regnen. Da schlug ich mein Lager unter der Autobahnbrücke auf, unter der ich grad radelte und übernachtete im Freien.
29.08.2006 - Schieberei und Gekrebse durch die Pyrenäen nach Tolosa
Schon zuhause hatte ich auf der Karte nachgesehen und die Entfernung von San Sebastian nach Pamplona so auf ca. 70 km geschätzt. Wenn ich gut war, könnt ichs in 1 Tag schaffen, dachte ich. Ich ahnte ja nicht, dass es 70 km durchs Gebirge ging.
Die Straße "N1", die ich als vermeintlich optimale Verbindung nach Pamplona entlang radelte, entpuppte sich als Autobahn. Das fiel mir aber erst auf, als ich auf dem Mittelstreifen stand und sie soeben überquerte...
30.08.2006 - von Tolosa bis Pamplona
Wie am Tag zuvor war es auch heute eine einzige Schieberei über den Pass. Ich trank Wasser aus Gebirgsbächen, in denen ich mir sonst nicht mal die Hände drin gewaschen hätte und futterte mit Hochgenuss ein einfaches Baguette mit Käse - ohne Butter, ohne Gurke, ohne Salatblatt. Ziemlich erschöpft kam ich in Pamplona an. Nun quartierte ich mich das erste Mal in eine Pilger-Herberge, sog. "Albergue de Peregrinos" ein und erwischte sogar noch die eines Klosters.
31.08.2006 - mit Katharina und den Österreichern nach Estella
Am Morgen traf ich noch in Pamplona auf eine deutsche Radlerin, Katharina, mit der ich nun eine Weile meinen Weg fortsetzte. Kurz hinter Pamplona trafen wir auch noch Franz und Walter aus Österreich. Walter war begeisterter Musiker und führte in einem Wägelchen hinter seinem Fahrrad 12 Musikinstrumente mit sich, unter anderem ein Alphorn (so viel zum Thema "Ballast"). Die zwei Österreicher kappelten sich gegenseitig andauernd und Katharina und ich schüttelten nur noch die Köpfe. Abends gab es ein österreichisches Ständchen auf dem Alphorn vor der Albergue in Estella.
01.09.2006 - bis nach Logrono
Walter hatte in der Früh einen Platten an seinem Wägelchen (wobei ich ja immer noch denke, dass ihm Franz die Luft abgelassen hatte). Katharina und ich fuhren daher alleine weiter. Es war ein wunderschöner, friedlicher Tag bis wir kurz vor Logrono wieder auf Franz trafen. Merke: "Gib niemals einem Österreicher ein Tom Tom in die Hand!" Franz führte uns über eine eben im Bau befindliche Straße und wir fuhren uns auf dem noch heißen Asphalt fast unsere Reifen kaputt. Mit Stahlbürstchen schrubbten wir die Teersteinchen aus dem Profil, während Franz vor uns zwei völlig saueren Weibern dann lieber die Flucht einschlug und verschwand.
02.09.2006 - ich fuhr wieder allein weiter bis Santa Domingo
Schon gestern hatte ich Katharina eröffnet, dass ich nun wieder alleine weiter fahren wollte. Am Morgen fuhr ich dann also allein los und ließ Katharina zurück, deren Gangschaltung am Rad kaputt gegangen war.
Ich fuhr nun das erste Mal den Fußweg und war ziemlich fasziniert von der Landschaft und den Absonderlichkeiten, wie z.B. den "Steinmännchen": aufgestapelte Kieseltürmchen, die die Pilger hier massenweise hinterließen. Der Weg war allerdings für Fahrräder nicht besonders geeignet und eine ziemliche Schinderei. Am Abend kam ich in der historischen Herberge in Santa Domingo an.
03.09.2006 - bis Olmos, kurz vor Burgos
Nun wurde es langsam so richtig scheiß-heiß. Am Morgen faszinierte mich die Strecke noch, gegen Mittag reichte es mir langsam und als es am Nachmittag unerträglich heiß wurde, hatte ich die Schnauze für heute schon ziemlich voll. Mit letzter Energie erreichte ich Olmos, ein elendes Kaff irgendwo vor Burgos. Die Herberge war total verranzt und anmelden musste man sich dafür in einer Bar, so eine Dorfkneipe voller grölender Männer. Aufgrund von Sprachproblemen - ich konnte kein Wort Spanisch, die kein Wort Deutsch oder Englisch - prellte ich den Wirt auch noch um seine 3 Euro für die Übernachtung, weil ich einfach nicht kapierte, was der wollte.
04.09.2006 - Burgos, Kathedrale ... und weiter bis Castrojeriz
In Burgos wollte ich ein wenig shoppen gehen und wartete bis 10:00 Uhr, wo langsam mal die Läden aufmachten. Ich kaufte eine neue SD-Karte mit 1 GB, weil ich meine beiden "kleinen" Karten schon voll-fotografiert hatte. Um mit dem Schicksal auch wieder quitt zu sein, wollte ich meine 3 "betrogenen" Übernachtungs-Euro von gestern im Sinne der Kirche los werden. Ich fand aber keine Opferstöcke in den Kirchen und gab dann das Geld einer alten Bettlerin, die sich gescheit freute. Um jeglichen scheiß Kieselwegen aus dem Weg zu gehen, fuhr ich die Bundesstraße N120 entlang und verfuhr mich um 16 km. Ich landete schließlich in Castrojeriz, dem Dorf mit der "Pentagramm-Kirche".
05.09.2006 - Fromista, Villalcazar, Tagesziel: Terradillos
An diesem Tag gabs eigentlich gar nix zu berichten, außer dass es fürchterlich heiß war und mir die Kuhkäffer hier langsam auf die Nerven gingen.
06.09.2006 - durch die Wüste nach Leon
Heute war es noch heißer, die Gegend noch unwirtlicher, die Erde noch verbrannter und die wenigen Pflanzen noch verdorrter. Über Stunden sah ich keinen Menschen, kein Haus, kein Auto, kein Zeichen jeglicher Kultur. Wer mit Hitze und Sonne Probleme hat und hier umfällt, der verreckt.
Leon entschädigte mich für all das: eine wundervolle Stadt! Hier gibt es herrliche, historische Gebäude, u.a. das Museum und die Kathedrale, Kneipen, Läden und ein richtiges Großstadtflair.
07.09.2006 - Astorga, Murias
Ich fuhr ungern aus Leon raus, hier wäre ich gerne geblieben. Am Morgen sah ich im Straßengraben einen großen, tot-gefahrenen Hund liegen. So auf dem Fahrrad ist die Straße doch wesentlich näher als im Auto. Das zog mir die Stimmung irgendwie ziemlich runter.
Astorga gefiel mir nicht, war nur ein Abklatsch von Leon. Nach der Siesta braute sich auch noch eine Wetterfront zusammen. So konnte ich mein Tagesziel nicht einmal erreichen, weil ich vor dem Gewitter gleich hinter Astorga, nämlich in Murias Unterkunft suchte.
08.09.2006- mit Walter nach Ponferrada
Ich schob heute den ersten Pass vor Santiago auf 1500m hoch. Kurz vor dem Gipfel ist der "Steinberg" - ein Hügel aus Steinen, die die Pilger von zuhause mitgebracht haben: Mit dem Stein soll man hier seine Sorgen ablegen. Ich hatte grad noch am Morgen meiner Abfahrt dran gedacht und von zuhause ein 2 cm großes Yton-Steinchen aus dem Gebüsch vom Friedhof mitgenommen. Als ich es auf den Steinberg legte, fand ich dort schon Walters Stein. Tatsächlich traf ich kurz danach in einem Bergdorf Walter mit seinem Alphorn und fuhr mit ihm zusammen nach Ponferrada.
09.09.2006 - Triacastela
Der zweite Pass heute nervte mich gewaltig. Fast ohne Pause schob ich in der sengenden Hitze das Rad hoch. Wenn ich oben war, wollte ich besinnlich Pause machen und etwas meditieren ... nur: Als ich oben ankam, war dort ein Jahrmarkt und 1000e Leute tummelten sich da. Ich war völlig entsetzt. Vor Schreck verpasste ich die richtige Abzweigung und fuhr an der falschen Seite den Berg wieder 4 km runter, nur weil ich so schnell wie möglich die Menschenmenge loshaben wollte. Es half nichts, ich musste nochmal rauf schieben. Ich kam dann schließlich in Triacastela an und übernachtete dort.
10.09.2006 - Ligonde
In der Herberge gab es zum Frühstück nur einen äußerst beschissenen Muckefuck aus dem Automaten. Ich fuhr bis Sarria um dort zu frühstücken. Schon auf dem Weg dort hin zog dichter Nebel auf und es wurde trüb und feucht. Die Atmosphäre war richtig herbstlich und morbide und gar nicht mehr lustig und fröhlich. Natürlich gab es auch wieder unmögliche Strecken und Berge herumzuschieben: Die Plagerei ging mir auf die Nerven. Ich war froh, wenn ich endlich Santiago erreicht haben würde und aus diesem Land verschwinden konnte. Ich wollte nicht einmal mehr - wie ursprünglich geplant - nach Finisterre, nur noch weg hier.
11.09.2006 - Ankunft Santiago
Das Fahrrad pfiff nun aus dem letzten Loch: Die Bremsen waren völlig abgefahren, die Gangschaltung total verstellt, eine Spritzblende haute es weg. In einer Kapelle in Boente wollte ich mir nur schnell einen Stempel in den Pilgerpass geben lassen, da zog mich der Pfaff in die Kirche, so dass ich auch noch an einer Kurzmesse teilnehmen musste. Eine Weile vor Santiago fing es auch noch an zu regnen: Jetzt machte es überhaupt keinen Spaß mehr. Grantig schrie ich ein paar langsam fahrende Radler vor mir an ... aber das waren zufällig auch noch Deutsche und verstanden mich und motzten zurück. Argh, mir reichte es!
Pilgerurkunde |
12.09.2006 - Santiago
Nach dem Motto "nichts wie weg!" versuchte ich, ein Ticket für irgendein Verkehrsmittel nach hause aufzutreiben, möglichst eins, das heut noch abfuhr. Gar nicht so einfach, denn in Spanien gab es kein "last minute". In den Reisebüros gab es nur Busfahrten nach Zürich oder sauteure Flüge nach München. Aber am Ende hatte ich Glück und buchte einen Billigflug für 287 Euro mit airberlin.com für morgen. Noch eine letzte Nacht musste ich hier bleiben. Ich schob noch mal so einen richtig depressiven Frust-Endspurt.
13.09.2006 - heim nach Nürnberg
Nachdem ich ein letztes Mal 5 km einen Berg hochschieben musste, mich ein letztes Mal oben verfuhr, ein letztes Mal wieder runter kam und ein letztes Mal ein- und denselben Scheißberg noch einmal hinaufschob *ärgerärgerärger*, fand ich endlich den Airport. Schon um 12 Uhr mittags stand ich am Schalter und wollte mein Gepäck aufgeben, obwohl mein Flieger erst kurz vor 18 Uhr ging: Ich konnte es gar nicht mehr erwarten wegzukommen. Über Las Palmas auf Mallorca flog ich zurück nach Nürnberg, wo ich um 23 Uhr nochwas landete.
mein Souvenier: Ich hatte hartnäckige Flöhe als ich heim kam. Ich wurde noch Tage lang um die Fußknöchel herum gebissen *kratz*.
Download: Stationen auf dem Jakobsweg (35 kb)
(eine Excel-Liste mit den Stationen auf dem Jakobsweg samt Kilometerangaben, Höhenmetern, wo gibt es eine Herberge, ein Hotel, Lebensmittelladen, Restaurant)
Es ist auf alle Fälle empfehlenswert, sich ein paar Grundkenntnisse in Spanisch anzueignen: Keine alte Sau spricht dort Deutsch (außer den deutschen Touristen) und Englisch verstanden nur ganz wenige Gebildetere. Nahe der französischen Grenze kam man natürlich noch mit Französisch durch, aber auch das gab sich bald.
Mein Vertragshandy ließ ich zuhause und kaufte mir ein ganz billiges Prepaid-Dingens von Tchibo. Sowas klaute eh keiner und wenn ich es verlieren würde, dann waren halt die 50 Euro Guthaben verschwunden, aber mehr Schaden konnte man damit nicht anrichten.
Ich hatte einen viel zu warmen Schlafsack dabei. Er war zwar dick, kuschelig und knuddelig, aber so ein ganz dünnes Ding hätte auch gereicht, wäre viel leichter und weniger voluminös gewesen.
Auch die sperrige ISO-Matte hätte ich zuhaus lassen können. Ich hab sie definitiv nur 1 x gebraucht - in San Sebastian unter der Autobahnbrücke - und das hätt ich auch irgendwie noch anders hingekriegt.
Ich hätte eine größere Landkarte mitnehmen sollen: Auf der Karte in meinem Büchlein kann man die winzig gedruckten Namen der kleinen Dörfer kaum mehr lesen und die ganz kleinen Dörfer stehen nicht mal drauf. Ein Nürnberger Buchhändler riet mir vorher noch ab und meinte, man braucht da keine Karte, es gibt Wanderzeichen und die Einheimischen lotsen einen. Aber ich wär so manches Mal froh gewesen, hätte ich eine gescheitere Karte gehabt.
Ich bin wieder einfach - Chaos rulez! - losgerumpelt ohne großen Plan: "Ich fahr bis Hondaye, dann nach Pamplona und ab dort den Wanderzeichen hinterher, haha!" Es wär aber besser gewesen, wenn ich mich vorher zuhaus mal hingesetzt hätte und einen Plan für jeden Tag ausgearbeitet hätte (so wie das Walter gemacht hatte): Von wo bis wo ich fahren wollte, wieviel Höhenmeter, welche Etappen ich am Tag machen wollte, wo ich wann Mittag mach, welche Städte ich besichtigen wollte, was es dort alles zu sehen gab, etc.
Was Essen betrifft: Es gibt dort fast nur feine und teuere Restaurants, Bars, die aber nur kleine Snacks haben und Supermärkte/Lebensmittelläden, wo man sich halt Dosenfutter kaufen kann. Ne Bratwurstbude (bzw. Paella-Bude), Schaschlikstand, Döner, Nordsee-Straßenverkauf, Asia-Imbiss, Stück Pizza aufm Pappkarton oder sowas, wo man sich so im Vorbeigehen was mitnehmen könnte, gibts da einfach nicht. Es gibt nicht einmal belegte Baguettes, so wie bei uns in fast jedem Bäckerladen, keine Leberkäsbrötchen o.ä. beim Metzger, einfach bloß nix. Das war schon sehr desolat: Paella aß ich dann erst in Nürnberg, als ich wieder zuhaus war.
Das hatte ich alles dabei: Handy, 2. Akku, Ersatz-Guthaben-Karte über 15 Euro, Schlafsack, ISO-Matte, Messer+Gabel, Klopapier, Tampons, Slipeinlagen, mp3-Player, SD-Karten, Kamera, Tagebuch+Stifte, kleine Schere, Zahnbürste, Zahnpasta, Deoroller (da hätt ich 2 brauchen können), Unterhosen, 2 BHs, Batterien für Kamera und mp3-Player, 2 knielange Hosen, Gürtel, 3 T-Shirts (1 für die Nacht, 1 am Tag: anschließend total verschwitzt und 1 zum Wechseln), Weste, Nagelfeile, Fahrradwerkzeug, Regen-Gummihose, Regen-Jacke, Käppi, Fahrradhandschuhe, Schweißbänder, Sonnenbrille, 3 große blaue Müllsäcke (um das Gepäck regendicht darin einzuwickeln), Pilgerpass, Jakobsweg-Buch (Karte allein hätt auch gereicht), Bahn-Tickets, Haarbürste, Deutschland-Fähnchen
Das hatte ich dabei, habs aber (zum Glück) nicht gebraucht: Handyladekabel (2 volle Akkus haben mir gereicht), Reisetabletten gegen Kotzen, Antibiotika, Asthmaspray, Lidschatten, Kajalstift, Haarspray, USB-Stick, Spanien-Steckdosen-Adapter, Nicki-Schlafanzughose, Pulli, lange Jeans, leichtes Longsleeve, Fahrrad-Ersatz-Schlauch (war aber trotzdem froh, dass ich den dabei hatte), Luftpumpe, Spanisch-Wörterbuch, Tesafilm
Dinge, die ich dafür "vergessen" hatte: Seife und ein leichtes Handtuch, Sonnencreme - kann man sich dort zwar auch kaufen, aber Seife gabs oft nur im 10er Pack und bei der Sonnencreme war ich mir auch nicht ganz sicher, ob ich da im Supermerkato nicht nen Shampoo erwischt hatte
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