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29.08.2006, Schieberei und Gekrebse durch die Pyrenäen nach Tolosa

Heute gefahrene/geschobene Strecke: 68,80 km

Ich hatte natürlich nicht eben gut geschlafen – aber auch nicht schlechter als in dem Hotel in Poitiers. Dort war es die Angst vor Diebstahl, Verschlafen und Eingesperrtwerden – hier waren es 1000 Autos und Laster, die mich in der Nacht überrollten. Im Morgengrauen wachte ich auf, die Autos über mir fuhren noch alle mit Licht. Ich packte meinen Krempel zusammen, trugs runter zum Fahrrad, das auch noch dort stand, wo ich es abgesperrt hatte und sattelte das Rad. Dann fuhr ich los.

Sonnenaufgang unter der Autobahnbrücke

Eiiin Straßengewirr um San Sebastian! Ich wollte Richtung Pamplona, aber alle Schilder, die dort hin zeigten, führten irgendwie immer auf die Autobahn. Also bemühte ich mein Jakobsweg-Buch mit der Landkarte. Darauf fand ich, dass "N1" die optimale Straße nach Pamplona war. N1 hatte ich schon gelesen, also folgte ich den Straßenbezeichnungen und befand mich auch bald auf der Straße, an deren Rand andauernd "N1" angezeigt war. Nur leider fuhr ich in der falschen Richtung. Ich musste auf die Gegenspur. Die Straße war aber ziemlich breit, hatte in jede Richtung 2 Spuren und einen "Radweg" (wie ich meinte) und in der Mitte war eine Leitplanke. Vor einem Tunnel war die aber durchbrochen, also stellte ich mich halt mal hin und wartete, bis der Strom der Autos eine Lücke ließ, durch die ich schnell auf den ein paar Meter breiten Mittelstreifen mit der durchbrochenen Leitplanke flitzte. Auf diesem Mittelstreifen fiel mir dann erst auf, dass diese N1-Straße eine Autobahn war.

Naja, ich wollte schon immer mal mit dem Fahrrad auf der Autobahn rumfahren...

Ich stand direkt vor einem Tunnel, aus dem die Autos auf ihrer Autobahn daher schossen, also lief ich den Mittelstreifen entlang, um vom Tunnel genug Abstand zu haben. Das war ja sonst echt gefährlich, denn im Tunnel sah man echt nicht, was da an Autos kam. Erst als ich eine Weile am Mittelstreifen entlang gewandert war, hielts mal einer für nötig, mich vielleicht mal anzuhupen! Da wo ich es eh schon wusste, pf.

Also runter von der Autobahn und dann fuhr ich halt nach Plan C – das war mein Kompass. Ich musste genau nach Süden. Endlich war ich von San Sebastian weit genug weg, so dass die Straßen auch eine echte Richtung einschlugen und sich nicht in 100 Ein- und Ausfahrten verstreuten. Ich kam nach Orio, ein Fischerdorf. Von dort aus ging es eine Strecke von ca. 10 km lang mit mind. 7% Steigung nach oben nach Aya, ein Dorf in den Pyrenäen. Da hab ich mich wohl verschätzt, denn auf der Landkarte schätzte ich Pamplona so 70 km von San Sebastian entfernt und hoffte, dass ich es vielleicht in 1 Tag erreichen konnte, wenn ich ein wenig drauf drückte. Dass dazwischen noch ein Gebirgspass und die Pyrenäen waren, hatte ich nicht bedacht. Ja, so schaffte ich natürlich keine 70 km an 1 Tag.

der Hafen von Orio

Ich schob also den Pass hoch. Gelegentlich überholten mich andere Radler, aber das waren so richtig radlermäßig angezogene Rennradfahrer, die hatten kein Gepäck drauf und die keuchten auch, wie die Dampfloks. Ich fuhr nicht, ich schob. Das war anstrengend genug. Bis nach Aya schaffte ich es kaum, denn meine 2 Getränke wurden knapp, es waren nur noch ein paar Schluck drin, die ich sorgfältig rationierte. Am Ende war alles leer und ich war noch immer nicht in Aya oder überhaupt in einer Ortschaft und ich keuchte und schwitzte wie der Depp. Als ich endlich kurz vor 14 Uhr Aya erreichte, brach ich fast in die Knie vor Erschöpfung. Grad noch wischte ich in den Lebensmittelladen und kaufte Getränke ohne Ende. Einen Granini-Fruchtsaft soff ich gleich auf ex weg und 3 Mineralwasserflaschen stopfte ich in alle Halterungen und Lücken, die ich am Fahrrad fand. Ich hatte Glück, denn 10 Minuten später wurde der Laden geschlossen, es war Siesta. Also hielt ich auch Siesta vor der Kirche. Ich packte meine ISO-Matte aus, aß meine eben gekaufte abgepackte Wurst und schrieb ein wenig Reisetagebuch. Dann legte ich mich hin – und schlief auch gleich ein.

Villabona

Ich träumte wild und seltsam, fühlte mich nicht recht wohl, als ich aufwachte. Ich brauchte ein wenig, bis ich wusste, wo ich überhaupt war. Dann packte ich den Kram zusammen und fuhr weiter. Ich wollte nach Villabona, aber da es nun nur bergab ging und ich die Serpentinen nur so runterschoss, fuhr ich doch noch weiter bis Tolosa.

Villabona

In Tolosa suchte ich eine Kirche. Ja gut: Da saß ich nun vor der Kirche und wusste nicht recht, wie ich es anfangen sollte. Die Kirche war nämlich zu und an der Seite war ein Hintereingang, dort war eine Sprechanlage. Ich konnte kein Wort Spanisch, also klingeln hatte wohl keinen Sinn: Dabei wollte ich doch nur mal fragen, wo man hier als Pilger übernachten konnte und ob es hier eine Herberge gab. Ich saß auf der Treppe vor dem Hintereingang und überlegte noch, da ging die Tür auf und ein Mann kam raus, schaute mich böse an. Ich konnte ihm aber mit Händ' und Füßen klar machen, dass ich auf dem Camino bin und eine Penne suchte. Da schickte er mich in die "Calea Santa Maria". Was es dort gab, wusste ich nicht, aber nun suchte ich halt mal die Calea Santa Maria. Das war eine riesige Kathedrale, als ich sie endlich fand – sie war aber zu. Ich trieb mich eine Weile herum bis die Kathedrale offen war, ging rein und fand darin nur einen alten Mann, der Andacht hielt. Der gestikulierte mir dann, dass ich gegenüber an der Hausnummer 10 bei "Officiales" klingeln sollte. Das war offenbar so eine Art caritative Einrichtung. Ich klingelte dran, aber niemand öffnete. Eine Anwohnerin erklärte mir meines Verständnisses nach, dass da geschlossen ist und heut auch keiner mehr kommt. Na toll. Was mach ich jetzt?

Frustriert hockte ich mich vor die Kirche. Die war ja noch offen und irgendwann musste ja ein Mesner kommen oder irgendwer und sie abschließen und dem wollte ich mich auf die Pelle rücken, bis er mir irgendwie eine Penne ermöglichte.

Vor dem Kircheneingang hockte außerdem noch eine Pennerin aus Portugal, die da bettelte. Das ist in Spanien so üblich, dass sich die Penner vor die Kirche hocken und auch fast jeder, der in die Kirche geht, etwas gibt.

mein Zimmer in Tolosa: oh, ich war ganz selig darin!

Weil ich nun so mit meinem Rucksack, Schlafsack und völlig abgewanzt vor der Kirche hockte, wollte mir eine alte Frau schon ihr Almosen geben, aber ich verwies sie weiter an die Pennerin.

Die Pennerin laberte mich dann auf Portugiesisch voll und begriff offenbar keinesfalls, dass ich nicht die Bohne verstand – schon gar nicht, dass mich das ungemein nervte. Also bin ich dann doch gegangen, weil nun hatte ich derartig meinen Frust, dass es mir auch schon egal war und ich beschloss, mir lieber ein (teueres) Hotel zu suchen, als hier weiter rum zu gammeln. Nach einiger Fragerei fand ich die Absteige: Da stand nicht "Hotel" drüber, sondern "Habiciones" – das muss man auch erst mal wissen. Nun gut. Für das Zimmer, das ich nahm, musste ich nur 15 Euro zahlen! Der Hotelier gab mir auch den 1. Stempel in meinen Pilgerausweis! Na, das hob nun meine Stimmung schon ungemein und nun gings mir wieder gut. Kaum hatte ich mein ganzes Gepäck abgelegt und mich umgezogen, ging ich auch schon ums Eck in eine Bar und bestellte mir ein Mineralwasser und 3 so Snacks. Dafür zahlte ich nur 4,80 Euro. Ich mag Tolosa!

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