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Eigentlich hatten wir ja für den Januar das Stichwort "Gratwanderung", aber meine Gedichte sind momentan inspiriert vom Thema "Suizid" und da will ich doch meine Kreativität nicht auch noch zügeln, sondern aus freien Stücken und eigenem Gutdünken losdichten.



Leichenwurm

Es war einmal ein Leichenwurm
der schmauste links vom Friedhofsturm
unter'm Boden noch 4 Meter
am frisch gestorbenen Meiers-Peter.

Unser'm Wurm war das sehr recht,
dass es dem Peter ging so schlecht,
denn vor lauter Ach und Weh
sprang dieser vor den ICE.

In 1000 mundgerechte Teile
zerfetzt es da die Eingeweide.
Der Spoiler lenkt wie eine Schneise
den Schlabber runter in die Gleise,

der angebracht ist am Triebwagen
zum Schutz vor derlei Unbehagen,
denn die Leute in der ersten Klasse
soll'n nicht sehen die blut'ge Masse.

Der Bahnbelegschaft derbstes Pack
rückt an mit einem Plastiksack,
sammelt Knochen, Därme und die Hoden,
kratzt ein Stück Lunge weg vom Boden.

Da unser Wurm schon älter ist
nicht ganz intakt mehr sein Gebiss
kam ihm das Stückwerk sehr gelegen
um seine Zähne auch zu pflegen.

Und so wählt jeder Fatalist
für wen und was er nutze ist.
Doch lösen der Probleme Knoten
tun ganz bestimmt nicht mehr die Toten.


Der kleine Teufel

Tief unten in der Hölle Feuer
saß ein kleines Ungeheuer.
Sein Vater war ein dicker Teufel,
sehr gefährlich, ohne Zweifel.

Doch ausgeflogen war der Alte,
damit er einen Kampf abhalte
mit ein paar Engeln. Unterdessen
saß der Kleine ganz versessen

in der Dämonen Bibliothek
und las, wie mancher Zauber geht.
Neugierig wollte er dort finden
wie man den Zeitenlauf kann binden.

"Hokuspokus, fidibus!
Zeit bleib steh'n in deinem Fluss!"
krächzte er mit lauter Stimme,
damit die Macht zur Erde klimme.

Und schon entstand die Illusion,
dass der Moment nicht geht davon
der Augenblick ward' eingefroren
die Situation ging nicht verloren.

Die Monika saß beim Frisör
doch ausgeh'n wird sie nimmer mehr
der Meister kämmt und fönte nur
niemals wird fertig die Frisur.

Der Steinmetz haute auch soeben
mit seinem Hammer knapp daneben,
traf den Daumen statt den Stein.
Der Schmerz glüht heftig im Gebein.

Doch der Moment nicht mehr vergänglich,
fixiert die Lage lebenslänglich.
Nicht lindern wird sich mehr der Schmerz
die Zeit kann nicht mehr heil'n das Herz.

Geschlichen war der Attentäter
(mit seiner Bombe Terror sät er)
ganz nah an den Finanzminister
und leerte den Benzinkanister.

Doch der Zünder will nicht senden,
um seine Rache zu vollenden,
denn eingefroren war die Zeit
und stiller Friede macht sich breit.

Mit Gedonner und Getöse,
mit dickem Hals und ganz schön böse
der alte Teufel fuhr zur Hölle
das Söhnchen war auch gleich zur Stelle.

"Was machst du da?" rief er ganz grantig.
Eine Watschn setzt's hochkantig
und eiligst machte er sich dran,
befreit die Zeit aus ihrem Bann.

Hör mir mal zu, mein kleiner Sohn!
Die Taten brauchen ihren Lohn,
damit erfüllt sei gut und böse
und daher Stagnation sich löse,

damit es möglich sei zu lernen,
aus dem Prozess die Bugs entfernen,
damit geboren wird, was trächtig
und auch reifen kann bedächtig,

dass man erkennt, was gut und wichtig
und man verwirft, was dumm und nichtig.
Es braucht oft viel Zeit und auch viel Mut,
dass man entscheidet und das dann auch tut.

Nur mit der Zeit wird unerträglich,
was man beklammert fest und kläglich
so dass man endlich das lässt los,
was einen im Grunde behindert doch bloß.

Neue Ideen und mehr Information
verändern den Blick auf die Situation,
und auch braucht es den Lauf der Zeit
damit Vergessen macht sich breit.

Das trübe Denken soll sich klären
im Lauf der Zeit Begreifen gebären.
So halt nicht an das Rad der Zeit,
es soll fahren und tragen in Ewigkeit.


eine Session

vom 27.12.2010

Ich kam die Treppe hinunter aus dem Freien durch den schmalen Gang. Wie in einem Stollen waren die Wände, aus Erde und Felsen, krumm und buckelig, aber die steinerne Treppe war gerade und eben. Der Gang war gerade so hoch, dass ich mich nicht bücken musste. Ich passte dort genau hin.

Geborgen fühlte ich mich da drunten in der Erde. Das ganze Leben war oben geblieben, all der Stress, all das Gerenne und Getue – ich wollte nicht mehr daran denken - und ich war sanft in die Versenkung verschwunden. Ich wusste, die Oberfläche war nicht weit und jeden Moment könnte sie mich wieder einholen, aber ich verdrängte den Gedanken.

Nur nach wenigen Treppenstufen kam ich unten an.

Am Ende der kleinen Treppe war linkerhand ein Spiegel im Fels. Es war ein erdener, brauner, dunkler und doch gläserner Spiegel, tief und vertraut - er gehörte hier her. In dem Spiegel zeigte sich ein Mann, aber ich wusste, das bin ich selbst. "Hast du nun endlich hier her gefunden" sagte das Spiegelbild mit sanfter, mütterlicher Männerstimme. "Ja" sagte ich und ich wusste: Das ist die Pforte fort von der Welt, die hatte ich immer gesucht und durch sie wollte ich immer gehen!

Ich versuchte, meine Gedanken fort zu lenken von dem, was bisher war, damit es mir nur nicht wieder einfiel und mich hinauf zog.

Alles war vorbei, die ganze Last lag hinter mir, keine Beschwernis musste ich noch tragen, alle Verantwortung und alle Anforderungen waren oben geblieben, von mir gelöst. Das alles war fort und ich empfand eine tiefe Entspannung durch alle meine Glieder.

Ich ging durch die Pforte hinein und zelebrierte zuerst einmal ein Ritual, um zu besiegeln und mir bewusst zu machen, dass alles hinter mir lag. Ich stellte feierlich eine dicke Kerze in eine Nische der Wand und nahm meine mit weißen Schleiern bedeckten Arme wieder von ihr fort. Aber die Ahnung beschlich mich: Auch das konnte mich hier nicht halten.

Ich hatte endlich die Ruhe gefunden. Die Erlösung war eingetreten und ich konnte endlich aufhören zu stressen und zu arbeiten. Ich wollte nicht wieder nach oben!

Ich stand auf einem Fels am Ufer des unterirdischen Teichs. Braun und dunkel war das Wasser, aber klar, kalt und rein. Ich bückte mich und sprenkelte mit der Hand das Wasser auf meine Unterarme. Da floss mein hauchdünnes, weißes Kleid langsam hinab von meinem elfenbeinernen Ätherleib.

Ich wusste, dass mich die Gedanken an die Oberwelt einholen würden. Noch konnte ich sie verdrängen, aber ich ahnte, dass sie mich einholen würden und mich wieder zurück ziehen würden, zurück in das Theater, das Wachsein, das Hellsein, das aufpassen müssen und schaffen müssen. Bedächtig stand ich auf und drehte mich um. Ich schritt langsam auf die Felswand zu und griff nach der Tür. "Tu das nicht!" rief die Stimme aus dem Spiegel. Ich tat es – ganz ungeachtet dessen – trotzdem und öffnete die Tür.

Ich wusste, was dann passiert, aber ich wollte auch irgendwie, dass das passiert, denn sonst wäre nur noch die Möglichkeit geblieben, sich von den Gedanken an die Welt schrittweise – Gedanke für Gedanke - wieder zurück nach oben stapeln zu lassen. Nein, dann lieber durch die Tür!

Es war nur ein Bruchteil einer Sekunde. Ich hatte nicht einmal mehr die Zeit, richtig zu erschrecken. Hinter der Tür war das All, ein schwarzes Loch und es sog mich in Windeseile an, explodierte genauso schnell auf mich zu und zerriss mich bis ins letzte Atom. Nichts blieb von mir übrig.

Die Stimme aus dem Spiegel rief mir noch nach: "Hättest du doch die andere Tür genommen, die führt zu MIR!"



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