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Rafa's Homepage

12.09.2006, Santiago

Heute gefahrene Strecke: 10,90 km

Santiago im Morgennebel

Ich stand erst auf, als es schon hell war. Ich musste ja heute nirgendwo mehr hin. Ich überlegte, ob ich die 2 Schnepfen, die bis nachts um x gestern Krach gemacht hatten und dann auch noch n Anruf am Handy kriegten – und jetzt natürlich noch tief pennten – ärgern sollte und mein Gwerch jetzt bei DENEN machen sollte. Das ließ ich aber dann.

im Pilgerbüro

Pilgerurkunde
Ich packte meinen Krempel und zog los, Richtung Kathedrale. Heute gings darum, die Pilgerurkunde zu kriegen. In der Kathedrale schickte mich ein Priester ins Pilgerbüro gegenüber. Da stand ich nun an, waren bestimmt 20 Leute da und wartete. Ich kam an die Reihe, zeigte meinen Pilgerpass her und kriegte ohne große Rückfragen anstandslos die Urkunde – in Lateinisch! Ha, das fand ich ja witzig! Ich wickelte die Urkunde in die ISO-Matte, damit kein Knick rein kam und nix.

die Kathedrale von Santiago

Ich ging in die Kathedrale, da war grad Gottesdienst und fotografierte wie der Depp.

die Kathedrale von Santiago

Seiteneingang
 

im Inneren
 

 


da liest grad einer ne Messe

Dann schaute ich in die Touristen-Information und fragte, wie ich denn nun heim komm. Ich kriegte nen Stadtplan, wo ein paar Reisebüros eingezeichnet waren und so tingelte ich los zum ersten: Die wollten mir einen Flug andrehen, auch noch nach München für über 900 Euro! Also nö! Eine Busfahrt nach Zürich ginge mit 125 Euro. Da wär ich dann wenigstens schon mal in einem deutschsprachigen Land.

Brunnen vor der Kathedrale

Ich tingelte ins nächste Reisebüro, da gabs nen Flug schon für 418 Euro. Satan-Ahriman meinte, den soll ich nehmen. Aber ich wollte mit dem Bus fahren.
Ich tingelte ins nächste Büro. Die hatten gar keine Busreisen.
Das übernächste hatte auch nichts, Tussi suchte und suchte. Schickte mich dann ums Eck und links, da war noch ein Büro. Dort kriegte ich dann einen Flug für 280 Euro. Ein Bus wär mir natürlich lieber gewesen, aber der Preis war echt ok. Nun sollt ich zahlen. Ich fand schon ums Eck einen EC-Automaten.

Ich war schon wieder furchtbar aufgelöst, ängstlich und nervös: Ich glaub, das lag daran, dass ich meinen Kram nicht selber erledigen konnte und auf andere angewiesen war. Vor dem Radeln war ich nämlich NICHT nervös. Ach, ich weiß auch nicht. Am liebsten hätte ich mich weggeschmissen.

Stadttor

Ich zog die Armstulpe runter, in der ich die EC-Karte eingenäht hatte. Dazu brauchte ich die Schere, die war im Federmäppchen. Ich packte und nestelte an der Tasche rum, um das Federmäppchen rauszuholen. Gaaanz langsam, eins nach dem anderen. Es war wie beim Installieren am PC: Bis zuletzt kann irgendeine Scheißmeldung kommen – er installiert und tut und macht und kurz vor Fertigstellung schreit er "die CD kann nicht gelesen werden" oder sowas, kann alles wieder abbrechen oder so. So war das hier auch: Ich hatte nämlich Angst, ich krieg irgendwie kein Geld, da wär ich da gestanden! Ich schnitt die Armstulpe auf, holte die EC-Karte raus – ja: da hatte ich auch vor ein paar Tagen Angst, ich hätte vielleicht gar nicht die EC-Karte eingenäht, sondern versehentlich irgendeine andere Karte.

mitten vor der Kathedrale: zwischen Skull und Che Guivara ein satanischer Gruß von Markus Meyer

Na auf jeden Fall war es natürlich die EC-Karte – welche Karte solls denn sonst sein? – und sie war auch noch da. Am Automaten konnte man zum Glück "deutsch" auswählen. Ich wollte 400 Euro abheben, aber er blägte, dass max. 300 Euro möglich waren. Das ging schon auch, das war das Ticket und nen 100er hab ich ja noch in der Bauchtasche und ein paar ordentliche Kröten, so 70 Euro, im Geldbeutel. Ich kriegte die 300, hatte vor lauter Aufregung meine Geheimzahl doch NICHT vergessen. Ich hatte sie mir verschlüsselt vorn ins Tagebuch reingeschrieben, weil ich hatte echt Angst, dass ich sie vor lauter Nervosität nimmer wusste, wenn ich sie brauchte.

Hummer und allerlei Todeskandidaten im Schaufenster vom Feinschmeckerlokal

Säule im Kirchenmuseum

Ich rannte gleich zurück ins Reisebüro und zahlte, denn um ½ ist bei denen schon wieder Siesta. Ich schaffte es noch. Ich kriegte bloß einen Ausdruck auf nem Schmierzettel, das war mein Ticket für mich. Der Flug war über meinem Personalausweis reserviert. Morgen um 17 Uhr noch was. Ich steckte den Zettel ein und ging nun erst mal noch durch die Stadt. Ich kriegte schon wieder die Panik aufsteigen, dass ich abstürz oder was weiß ich, den Flughafen nicht rechtzeitig find (2 Stunden vorher sollte ich da sein) oder dass es Heckmeck mit dem Haufen Gepäck geben könnte.

So recht glücklich war ich nicht. Ich wär lieber mit dem Bus gefahren.

Ich fotografierte ein bisschen planlos in der Stadt herum. Ich landete in einem Cafe und trank nen Kaffee und schrieb das Tagebuch.

Nun quatschte ich ein älteres Paar an: "Sind Sie Deutsche?" Waren sie. Weiß net, die erkannte man auf 10 km. Denen schenkte ich mein Wörterbuch "Spanisch, last minute" Ich musste Ballast los werden.

Ich gammelte noch ein bisschen in der Stadt rum. Morgen wollte ich noch Mitbringsel kaufen, Wein und Käse für Manu und Karsten, Schinken für Fozzi. Ich fand einen Schmuckladen und kaufte eine silberne Muschel für Manu, kostet 37 Euro. Sie gefiel MIR sehr gut für sie, aber ob sie ihr auch gefällt? Dann soll sie sie ihrer Tochter schenken, wenn nicht.

Fenster der Kathedrale

Dann ging ich langsam los und suchte die Albergue. Ich wollte die für 7 Euro, die lag eh auf dem Weg zum Airport. Fand ich auch nach ein bisschen Suche.

Ich packte darin mein Zeug aus und schmiss alles weg, was ich nicht mehr brauchte: restliches Klopapier, Plastiktüten, billig-Deoroller, Nüssle, Sonnencreme. Naja, sooo viel Gepäck war es gar nicht – abgesehen von dem Rad.

ein Atrium in der City

In der Herberge war ein kleiner Bub, offensichtlich aus der Schweiz, der heulte und heulte. Er umarmte seinen Vater und der tröstete ihn. Als ich das sah, flennte ich auch gleich mit. Ich packte mein Zeug und hockte mich draußen auf die Mauer und heulte und heulte und heulte ...

Die Albergue war klasse. War ganz alternativ, mit Buddha-Statue und Räucherstäbchen, verschiedene Fließen auf dem Boden, Hexenhut und –besen an der Wand. Sowas gibt’s hier auch?

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