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10.09.2006, Ligonde

Heute gefahrene Strecke: 60,55 km

frühmorgens im Gebirge

Ich war die Vorletzte, die aufstand und die Letzte, die den Schlafsaal verließ. Ich packte meinen Krempel, ging in die Küche: zum Glück war der scheiß Fernseher aus, was nervte mich das gestern! Ich ließ mir einen kleinen Becher Kack-Kakao aus dem Automaten, der kostete 60 ct! Da ist der bei uns in der Arbeit entschieden besser und kostet gar nix. Als ich fertig war, wollte ich fahren, aber mein Rad war in der Garage eingesperrt und die Wirtin war nicht da. Eine Spanierin, deren Rad auch eingesperrt war, klingelt dann und eine verschlafene Stimme sagte über die Sprechanlage, dass sie gleich käme. Das dauerte aber noch gut 20 min. Da war ich ja froh, dass ich nicht eher aufgestanden war. Endlich hatte ich mein Rad.

die Sonne kommt raus, mag aber irgendwie nicht ganz

Mosteiro de Samos

derb von außen, aber ganz nett von innen

Es war schon hell, ich brauchte gar kein Licht mehr. Ich radelte die Straße entlang, kam an Mosteiro de Samos vorbei. Ich besichtigte die Kirche und fuhr weiter.

Ich radelte dann mal bis Sarria, das waren noch ca. 20 km, aber weils bergab ging, war ich gleich dort.

Nebel zog auf, dass ich zuerst meinte, da brennt was irgendwo. Eine Suppe, man sah keine 100m weit! War auch kalt und durch den Nebel sehr feucht.

Nebelschwaden wie Rauchwolken

An einer Ecke standen lauter Jeeps, fast jeder mit Anhänger, wo Hunde drin waren. Das waren Jäger, die sich da sammelten. Sah alles irgendwie echt schon nach Herbst aus.

Pilger in der Nebelsuppe

Autos hatten die ja hier, die Spanier, kaum mal eines älter als 2 Jahre. Pickobello schicke Kutschen, zur Hälfte deutsche Marken (BMW, Opel), die anderen Renault, Suzukis: Überall sah ich meinen Viagra und ICH fahr mit'm Rad!
Naja, auf diesen Steigungen da kommt man mit nem andern Auto als nem Jeep gar net hoch.

alles sah da irgendwie traurig aus

Sarria machte nen recht trostlosen Eindruck so im dichten Nebel: keine Sonne und kein Mensch auf der Straße – außer ab und zu ein Pilger. Mit 2 Deutschen betrat ich zeitgleich ein Cafe/Bistro. Da hockte schon ein Deutscher drin und mampfte ein Eier-Omelett. Das wollte ich auch. Ich bestellte es mir und dazu einen Kaffee. Im Hintergrund quatschte schon wieder ein Fernseher, aber die Deutschen störten sich dran und da wir die einzigen Gäste waren, machte der eine Mann die Kiste einfach aus. Endlich Ruhe!

"Man wird bescheiden" meinte der eine Mann zu mir. "Kann ich nun nicht eben behaupten" grantelte ich vor mich hin. Ich hatte die Schnauze nur immer voller, sehnte mich nach meinem eigenen, herrlich breiten Bett, wollte endlich mal wieder ausschlafen und freute mich auf mind. 3 Stunden Badewanne, wenn ich zuhaus war. Ich konnte die ganzen Spanier nicht mehr sehen und das spanische Gequatsche nicht mehr hören!

Priesterschule

Ich radelte weiter und kam an einen Friedhof, der war offen und ich fotografierte im Morgengrauen die Gräber.

Anschließend war so ne katholische Schule oder was, da gab ich mir gleich einen Stempel in meinen Pass.

Friedhof bei Sarria

das trübe Wetter zog mich irgendwie runter

Ich fuhr weiter und folgte natürlich wieder den gelben Pfeilen, d.h. ich landete auf dem Fußweg. Das war wieder ein Schotter- und Steinscheiß. War sogar extra als Radweg ausgewiesen, war aber eine echte Herausforderung für MTBs – schon ohne Gepäck. Meine Bremsen waren ziemlich abgefahren, denn ich bremste bis zum Anschlag und wurde kaum langsamer – war auch sau-steil und voller Fels- und Steinbrocken.

Brücke vor dem Eichenwald

Es ging über einen Bahndamm, durch einen Eichenwald (tolle, hammerartige Baumstämme!).

gigantisch tolle Bäume mit Efeu und Misteln

traumhafte Wege durch Galicien

Im Eichenwald keuchten zwei Radler hinter mir und überholten mich: "Ola ola!" – es waren der blonde Spanier und sein Kumpel von gestern!

ich komm zwar von rechts, aber ok ok: Ihr dürft vor!

Dann gings durch Weiden und Kuh-Käffer, da wurden die Kühe über die Straße getrieben. Ein Bauer gestikulierte mir, dass seine 4 Kühe gerade auf dem Camino seien.

Den Kuhfladen oder Pferdekacke-Haufen wich ich anfangs noch aus, aber das hatte auf Dauer einfach keinen Sinn – also ab durch die Scheiße.

Als Stadtkind hab ich ja normalerweise vor jedem Vieh Angst, das größer ist als ein Dackel. Wenn ein Dackel durchdreht, kann man ihm einen Tritt geben und dann fliegt er an die Wand. Aber alles, was MIR einen Tritt geben könnte, dass ich an die Wand flieg, meide ich im Sicherheitsabstand von mindestens 20m.
Aber hier gings einfach nicht anders: Ich fuhr durch ein Dorf, da stand vor mir so eine blöde, fette Kuh mitten im Weg und glotzte mich doof an, ich kam nicht vorbei. Ich konnte ja nun nicht warten, bis das dämliche Vieh seine Siesta beendet hatte; ich kriegte eine richtige Wut und brüllte die Kuh an - und tatsächlich: sie trottete los! Das war für mich irgendwie ein Schlüsselerlebnis, weil nie im Leben hätte ich mir sonst zugetraut, mich mit so einem großen Tier anzulegen. Nun philosophierte ich wieder einen halben Tag über die Macht des Geistes und die Körperkraft.

kleine Kapelle mit Zetteln

Am Weg stand eine kleine Kapelle und ich ging rein, denn innen auf dem Altar lagen Hunderte von beschriebenen Zetteln, aber auch leere Cola-Dosen und Müll. Was auf den Zetteln stand, konnte ich nicht lesen – es war nichts Deutsches darunter. Ich machte ein paar Fotos und verließ die Kapelle, da kamen grad der blonde Spanier und sein Kumpel an: "Ola ola!"

tödliche Steinstrecke, aber meine Reifen hielten durch

Die Abfahrt war genauso beschissen wie der Aufstieg: ewig steil und steinig, ein einziges Gebremse. In einem Eichen- und Tannenwäldchen vor Portomarin machte ich mittag und futterte meine Dose Tunfischsalat, 1 Tüte Oliven, ein bisschen Pan von gestern, ½ Schachtel Datteln.

Zäune werden nicht an Holzpfosten, sondern an Felsbrocken gezogen

Dann fuhr ich nach Portomarin, legte mich auf dem Platz vor der Kirche hin auf meine ISO-Matte, stopfte mir die mp3-Ohrenstöpsel in die Ohren und hielt Siesta. Ich lag so und döste, wurde dann aber wach, weil da war irgendwas: Der blonde Spanier und sein Kumpel waren eben angekommen. Warum die beiden dann immer wieder hinter mir waren? Machten wohl dauernd Pause? Je öfter ich den Blonden sah, desto besser gefiel er mir. Naja, sah schon knackig aus in seinem Radlerdress...

Kirche von Portomarin

Als die Siesta vorbei war, war es fast "kühl" geworden. Ein paar Wolken waren aufgezogen und es ging ein gescheiter Wind. Ich ging noch in die Kirche und fotografierte ein bisschen rum und dann fuhr ich weiter. Ich wollte noch auf die Anhöhe, die da noch kam. Alto de Rosario / 800 m, aber ich hatte keinen großen Bock mehr: ewiges Geschiebe, krasser Gegenwind.

Das trübe Wetter hatte mir auch irgendwie die Laune verdorben - es war alles nicht mehr das, was es am Anfang war. Das ganze Spanien nervte mich langsam.

Ich fuhr weiter, es war schon ¾ 7. Ich kam an eine Bar, da stand auch "Albergue", es hockte dort aber kein Pilger und irgendwie gefiel mir das nicht.

die Albergue von Ligonde

Ich fuhr weiter ins nächste Kuhkaff, Ligonde. Da war eine Albergue und ich checkte ein, kostete 6 Euro. War ein schönes, rustikales Haus. Waren nur eine Hand voll Pilger da (wo waren sie denn alle?), kriegte noch freie Wahl bei den Betten und nahm eines unten. Ich duschte mich, fotografierte das Rad im "Keller", schrieb Tagebuch, aß den Rest gar und legte mich dann ab.

Es war kühl abends, ich hatte meinen Pullover an.

weiter zum
nächsten Tag...



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