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27.08.2006, Zugfahrt von Nürnberg bis Poitiers/F

Ich war in der Früh richtig spät dran. Eigentlich wollte ich noch eine halbe Stunde am Bahnhof einen Kaffee trinken, aber es war schon 10 vor halbacht als ich in den Hof zum Fahrrad runter kam und um 7:41 Uhr fuhr der Zug. Es reichte nicht einmal, das Gepäck auf dem Fahrrad ordentlich zu verstauen, sondern ich schmiss nur irgendwie Tasche und Schlafsack in den Korb hinten, schnallte mir den Rucksack auf den Rücken und radelte zügig los.

Am nächsten Eck fiel mir grad noch ein, dass ich doch einen Stein von zuhause mitnehmen wollte, denn irgendwo auf dem Jakobsweg war ein Steinberg, auf dem jeder Pilger seinen Stein (Sinnbild seiner Sorgen) von zuhause hinterließ. Ich sprang nochmal schnell vom Rad, hüpfte ins Gebüsch vor dem Friedhof und nahm von dort irgendeinen kleinen Stein mit. Es war ein Stück Yton-Stein - offenbar von einer Baustelle, aber war mir jetzt auch wurscht, ich war spät dran!

noch in heimischen Gefielden, irgendwo hinter Ellwangen

Ich rumpelte am Hauptbahnhof schnell auf Gleis 12 hinter und lud das Rad gleich ein, denn der Zug stand schon dort.

Ich war furchtbar aufgeregt: Als ich das Fahrrad im Zug absperren wollte, bildete ich mir plötzlich siedend heiß ein, ich hätte meine Schlüssel zuhaus vergessen. Das erschreckte mich derart, dass ich gleich voll auf 180 war, aber Satan-Ahriman beruhigte mich: in der Tasche sind sie. Tatsächlich – ich hatte sie einfach beim Aufladen des Rads im Hof in die Tasche geschmissen und da waren sie auch. Ich hängte sie gleich mit dem Karabiner an meine Hose. Ich sperrte noch an dem Rad rum, da fuhr der Zug schon ab. Mei, das fing ja schon wieder voll stressig an.

Ich rumpelte mit meinem ganzen Gepäck durch den Zug auf den Platz, den ich mir reservieren hatte lassen: Das ganze Abteil gehörte mir – nur ein einziger Passagier saß noch ein paar Reihen weiter vorn.

Ich hatte andauernd Angst, irgendwas klappte nicht, z.B. ich hätte was vergessen, würde was verlieren, das Fahrrad würde mir gestohlen, ich verpass den Zug, steig in den falschen ... und komm irgendwie nicht an. Das wär im Grunde natürlich auch kein Weltuntergang und warum ich mich da derartig hysterisch aufregen konnte, verstand ich selber nicht.

Karlsruhe Hbf: mein Zug nach Paris Est fährt ein

In Karlsruhe hatte ich 1 Stunde Aufenthalt. Der Zug nach Paris fuhr auf Gleis 5 ein; es war ein relativ alter Regionalzug. Mein Fahrrad passte kaum durch die Tür. Ein Mann half mir, das Rad aufzuhängen, denn ich kriegte es einfach nicht hoch in die Halterung. Der Zug fuhr nach Baden Baden, nach Kehl und dann über den Rhein.

In Strassbourg stiegen lauter Franzosen ein, das Zugabteil war voll und auch der ganze Waggon. Das fand ich höchst unangenehm, denn damit waren ein Haufen unsympathischer Leute um mich rum, die mich störten. Das Dummrumhocken und Nichtstun enervierte mich ganz gewaltig. Es regnete in Strömen und das Wetter ging mir zusätzlich aufs Gemüt.

Strassburg Hbf: kaum über die Grenze und schon wirds schmuddelig

Obwohls mich vor Paris die ganzen Tage vorher schon so gegraust hatte, freute ich mich plötzlich regelrecht drauf, denn dann konnte ich endlich diesen blöden Zug verlassen und selber fahren.

Als die ersten urbanen Siedlungen auftauchten, hüpfte ich gleich raus und hinter zu den Rädern. Ich holte mein Rad aus der Aufhängung und packte alles Gepäck fest drauf. 52 Minuten hatte ich bis der Anschlusszug abfuhr - allerdings im Bahnhof Paris-Austerlitz und ich kam in Paris-Est an, d.h. dazwischen waren ca. 5 km quer durch Paris.

Ich war die Erste, die sich rausdrängelte – ist mir doch alles wurscht, nix wie raus aus dem Zug. Weil ich nun mit dem Fahrrad-Waggon ganz hinten war, brauchte ich ewig, bis ich aus diesem Kopf-Bahnhof vorn raus kam. Ich wurschtelte mich durch die Leute und folgte irgendeinem Strom Menschen mit Koffern und fand dann auch bald irgendeinen Ausgang.

Ich sprang voller Bewegungsdrang auf mein Rad und radelte zum nächstbesten, größeren Platz. Keine Ahnung wie dieser Platz hieß, Namensschildchen konnte ich in der Eile keine ausfindig machen. Ich warf einen Blick auf den Routenplaner, den ich mir von der Strecke schon zuhause ausgedruckt hatte. Leider hatte ich aber keinerlei Plan, wo ich war, kannte mich null aus. Also fragte ich lieber irgendein paar Kanacken nach der groben Richtung und schoss los, wo die hinfuchtelten – über alle roten Ampeln, quer durch die Autos. Unterwegs fragte ich immer wieder die Passanten nach dem Weg: "Railwaystation Ohsterlitz?" "Yes, yes." Ein Radler fuhr dann sogar ein Stück mit und zeigte mir gar den Rest vom Weg. Ich fuhr quer bei Rot über eine große Kreuzung als ich den Bahnhof sah, 2 Bullen schauten mich böse an, sagten aber nix. Die sind hier dunkelblau statt grün – die sieht man so schlecht.

Ich rumpelte in den Bahnhof Austerlitz rein, erwischte noch mit der ISO-Matte den Außenspiegel von einem parkenden Auto, in dem der Fahrer saß, aber der sagte nicht einmal was. Ich fragte im Bahnhof x-mal nach dem Zug und dem Gleis und alle sagten einstimmig: "Dieser da ist es". Also stieg ich halt ein, denn angeschrieben sah ich nix. Der Zug fuhr viel zu bald los, 15 Minuten zu früh! Ich kriegte schon wieder die Flatter: Hatte ich den falschen Zug erwischt?

St. Pierre des Corps: Ich wart auf den Zug nach Poitiers

Es war doch der richtige Zug und ich fuhr nach St. Pierre des Corps, Ankunft um 20:20 Uhr. Dort stieg ich um, 1 Gleis weiter nach Poitiers. Der Schaffner im Poitiers-Zug sprach ein wenig Englisch und lud das Rad gleich hinter das Führerhaus zu 4 anderen Rädern. Die wollten hier alle nach Poitiers und dort wollte er dann die abgeschlossene Kabine erst öffnen, na gut. Es war Nacht geworden unterdessen und der Zug war fast leer.

In Poitiers stieg ich aus und wollte mir ein Hotel suchen. Das erste, das ich anpeilte, kostete 45 Euro! Nee! Echt nicht. Da bin ich zu geizig dafür, dass ich da nur 5 Stunden lang schlaf - das sind 9 Euro die Stunde, da bring ich kein Aug' zu. Ich radelte ein wenig außerhalb des Bahnhofsgebietes, aber da war nur noch ein chinesisches Hotel mit chinesischen, aber roten Lampen davor. Nein, also das lieber auch nicht. Ich radelte wieder zurück zum Bahnhof und suchte mir das billigste der Hotels im Umkreis von 1000m: eine Bar und die Übernachtung kostete 35 Euro.

Ich zahlte gleich und sagte der Tussi, dass ich um 5 Uhr geweckt werden wollte. Die verstand aber kein Wort, weder Deutsch noch Englisch. Ich stänkerte dann in der Bar die Typen da ein wenig an, bis ich einen fand, der halbwegs was Englisches daher gatzen konnte. Jedenfalls ist hier um 5 Uhr früh keine alte Sau mehr da, aber sie sagten, früh sei hier offen. Na, dem Braten traute ich nicht! Ich sah mich jetzt schon früh um 5 dort stehen und nicht raus kommen! Also holte ich mein Fahrrad wieder aus dem kellerartigen Hinterhofraum, den sie mir als Garage angeboten hatten, und sperrte es lieber draußen auf der Straße vor dem Hotel an ein Gitter. Das Vorderrad schraubte ich schnell runter und nahm es mit. Ohne Fahrrad würde ich am Morgen notfalls einfach aus dem Fenster springen.

Ich ging rauf auf mein Zimmer: Es war klein, einfach, aber es passte schon und ich legte mich gleich flach. Schlafen konnte ich natürlich nicht, weil ich machte mir allerlei Gedanken, z.B. um das Rad: hatte ich es auch wirklich doppelt und gut genug abgesperrt? Es ging schon auf 11 zu. Ich stand doch nochmal auf und putzte mir doch die Zähne, denn die Zeit dazu wollte ich mir vorhin sparen. Irgendwann pennte ich doch.

weiter zum
nächsten Tag...



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