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Rafa's Homepage

06.09.2006, durch die Wüste nach Leon

Heute gefahrene Strecke: 81,09 km

Brücke über den Rio Cea

Das Scheißkaff Terradillos war echt das Letzte.

In der Nacht hatte ich schlecht geträumt. Ich wachte schließlich auf und war scheiß-traurig!

Ich zog mich an, sattelte das Rad, pappte das Rücklicht drauf, weil es noch stockdunkel war und fuhr die N120 entlang. In Sahagun ging ich in ein Bistro und trank nen Kaffee. Kostete nur n Euro.

Ich musste von der N120 ab und den Fußweg fahren, sonst würde ich n riesigen Umweg fahren müssen. Das war das letzte Mal, dass ich den Fußweg fuhr! Natürlich war es wieder Kieselweg. Das Gekiesel war echt tödlich, die Räder zogs mir weg und wenns mal bergab ging, musste man bremsen um nicht mit Karacho auf einen spitzen Kiesel zu rumpeln (Platten-Gefahr).

unbeschreibliche Einsamkeit

Der Weg war verdammt einsam. Ich sah auch kaum einen Wanderer – wo sind sie denn alle? Es verschwanden sogar die Felder und alles sah aus wie Steppe. Im Gebüsch raschelte es andauernd. Mäuse, Hamster, Eidechsen und weiß der Geier was, huschte darin rum. Es krächzten ein paar Raben. Es war echt wie in der Wüste – weit und breit kein Anzeichen von Mensch oder Kultur, nur wilde Steppe und dann nachmittags mindestens 37°.

und wieder ein Stilleben mit alten Wanderschuhen

Die Einsamkeit, die ich ja eigentlich gesucht hatte, war so groß, dass ich Angst kriegte: Wenns mich vom Rad bröselte oder ich einen Kreislaufflash kriegte, bis zum Horizont war kein Mensch, kein Haus, nichts, was auf Zivilisation hin deutete. Als ich einen Kondensstreifen von einem Flugzeug sah, war ich ganz happy, noch happier, als ich ein Privat-Flugzeug sah, das so tief flog, dass man mich schon sehen musste. Dann sah ich in der Ferne eine Bahnlinie und bald drauf auch noch einen Zug. Da konnte doch fast nichts mehr passieren.

Ja ok, ich bin durch die einsame "Wüste" ohne Panne durch gekommen, war also kein Grund für Angst da. Aber ich hatte sie einfach: War schon blöd, die Einzige im Umkreis von 50km zu sein. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich an 2 pausierenden Wanderern vorbei kam! Egal wie weit ich fahren würde, aber wenn mir was passierte: Die würden irgendwann kommen – und würden mich finden. Dann sah ich in der Ferne die Bahnlinie: Wenn jetzt noch was passierte, bis zu den Gleisen würde ich mich noch schleppen können... und irgendwann kommt mal ein Zug und die würden mich finden.

ein LKW tauchte wie eine Geistererscheinung aus dem Nichts auf und verschwand in einer Staubwolke

eine französischer Text stand auf diesem Zettel. Hoffentlich hieß das nicht: "Ich bin vom Rad gefallen, rettet mich, ich liege da drüben!", weil sonst ist er nun verreckt, ich fuhr nämlich einfach weiter

Dann sah ich weit weg einen LKW und eine Kran kommen, wie aus dem Nichts, völlig skurrile Szene. Die kamen beide direkt über meinen Weg. Die könnten mir auch helfen – die könnten mir aber auch was antun. Wenn sie mich vergewaltigen wollten, würde ich sie einfach drüber lassen, Gegenwehr hätte hier keinen Sinn. Aber Kran und LKW fuhren in einer Staubwolke weiter.


eine Stadt am Horizont: Mansilla

Am Horizont erschien eine Bergkette – und eine Stadt! Häuser! Mir fiel ein Stein vom Herzen! Es war eine große Stadt, ich dachte zuerst, es sei schon Leon. Als ich dann aber in der Stadt war, frag ich eine Frau: Es war nicht Leon, es war Mansilla. Ich kaufte mir was zu essen in einem Lebensmittel-Laden – ging noch scheinheilig in eine Kirche, holte mir meinen Stempel und machte ein paar Fotos – und hockte mich an den Fluss runter und aß.

bitte frage mich keiner, was die Viecher da fressen: Da ist doch nix...?

Dann fuhr ich weiter, die N601 bis Leon auf dem Asphalt. Waren nur noch 17 km.

Leon-City

Vodafone misst 41°C
McDonalds hat wohl ne Klima-Anlage, bei denen hats nur 34°C
Coca Cola misst 38°C
Irgendwas zwischen all dem wird es wohl gehabt haben.

Leon ist eine richtig große, tolle Stadt. Das tat mir gut, das ganze Stadtleben, die Haufen Leute, die Autos, die Wohnblocks. Da fühlte ich mich gleich um Längen wohler. Ich fotografierte die Springbrunnen, alles was mit Wasser zu tun hatte – nach dem Wüstentrip freute ich mich einfach über jeden Wassertropfen und war's nur ein Rasensprenger (zuhaus hab ich dann lang wieder überlegen müssen: Was hatte ich denn DA fotografiert?).

Ich fuhr zur Tourist-Information und ließ mir nen Stadtplan geben mit eingezeichneter Albergue: Wow, jetzt wurde es schon arg katholisch, die Albergue hieß "Albergue Santa Maria" ... das ist doch die Isis mit dem Horuskind, nä. Ich würde meinen Nietengürtel morgen nicht mehr anziehen, schaut zu heavy aus. Wahrscheinlich zieh ich den 2. Nietengürtel übermorgen auch nicht mehr an und bind die Hose statt dessen mit einem Strick fest, schaut christlicher aus. Ich wollte die Haare offen lassen, mit zugebundenen Haaren sah ich zu hart aus und die Haufen Piercings in den Ohren fielen zu arg auf. Naja...

das Museum von Leon

Ich schmiss meinen Krempel auf mein Bett und ging gleich wieder los, die Stadt besichtigen. War eine hammerartige Stadt, Sehenswürdigkeiten ohne Ende, was für ein Flair!

Ich besichtigte den Dom. Man durfte nicht fotografieren, aber alle fotografierten – sogar mit Blitz – dann fotografierte ich auch. Ich machte ein paar 100 Fotos, war der Hammer hier!

der Dom von Leon

im Inneren
 


"Caja Espana, Casa Botines, obra de Antonio Gaudi" steht vor dem Märchenschloss auf einem Schild

Ich fuhr wieder in die Albergue und ging zu Fuß nochmal los, was essen. Als ich so in der Kneipe saß, kamen 4 ältere Engländer. Ich lauschte eine Weile zu: Also das war so die Rentner-Gang, die hier eine Pauschalreise gebucht hatten. Sie gingen ein wenig wandern und wenn die Strecke blöd wurde, dann wartete dort schon der Bus vom Reisebüro auf sie. Sie fuhren dann wieder so 20 bis 30 km mit dem Bus inkl. Klimaanlage, bis es wieder eine attraktive Wanderstrecke gab und dann liefen sie wieder. Dabei beschwerten sie sich auch noch, wie fürchterlich schrecklich die Strecken seien und wie froh sie wären, wenn sie jedesmal wieder ihren Bus sahen. Und solche Leute sagen dann, sie hätten den Jakobsweg gemacht, ha-ha.

Real Basilica de San Isidoro

an der Basilica hausen wenigstens ein paar Gargoyles

der Schlafsaal für Frauen im Keller der Albergue "Santa Maria"

natürlich gabs neben all den tollen Gebäuden auch sowas

Ich kaufte noch eine Postkarte für Fozzi. Fozzi wollte eine Karte mit Titten drauf, aber im ganzen, verdammten, heiligen Land gab es keine einzige Tittenkarte – ich habe nicht einmal eine Arschkarte gefunden! Ich hab schon überlegt, ob ich ne Madonna-Karte kaufen soll und ihr einfach mit Kugelschreiber Titten hinmalen sollte, aber die Wahrscheinlichkeit war sehr groß, dass diese Karte dann wohl über die spanische Post niemals hinauskommen würde. Außerdem war das glaub ich nun auch nicht so genau das, was Fozzi wollte.

Ich ging zur Albergue und duschte. Dann schrieb ich Karte und Tagebuch und legte mich ab.

P.S.: In den Kirchen spielten die immer leise so ne Chill-Out-Musik, so Choräle und so – war nett!

weiter zum
nächsten Tag...



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