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Rafa's Homepage

09.09.2006, Triacastela

Heute gefahrene Strecke: 85,89 km

in der Morgendämmerung

Ich war echt verblüfft, wie schnell ich mich in fremden Städten auskannte und klar kam. Ich fand fast sofort den Jakobsweg aus der Stadt raus – na gut: Satan-Ahriman korrigierte 1 x. Ja, außerdem: Noch viel verblüffter war ich über Satan-Ahriman's Weg-Anweisungen. Die waren bisher zu 99% richtig.

Auf jeden Fall fuhr ich aus Ponferrada raus. Erst fuhr ich mal wieder den Fußweg und "irrte" durch Weinberge auf Schotterwegen herum. War nicht so der Hit, aber haute schon hin. Ich wollte nach Pedrafito, stellte aber schnell fest, dass es nun auf das 2. Gebirge zu ging. Das war der 2. Pass und mir grauste es, den wollte ich heut hinter mich bringen. Ich erwartete natürlich wieder ein Erlebnis ala Satan-Ahriman am 1. Pass, aber allein die Erwartung machte ja schon wieder alles kaputt: Es konnte ja in DER Hektik gar nix passieren. Das wusste ich schon, aber ich kriegte die Erwartungshaltung nicht weg.

Pferdewagen

Kirche in Cacabelos mit den obligatorischen Storchennestern oben drauf

Ich kaufte erst mal Batterien für die Kamera. Da in Astorga 2 Batterien nur 90 ct gekostet hatten, gestikulierte ich gleich nach 2 Päckchen mit 6 und 8 Stück. Als ich einen Zehner hinschmiss, wollte der noch nen Euro haben. Was? 11 Euro? Das waren ja deutsche Preise *erschreck*! In Deutschland hätte ich angesichts dieses Preises die beiden Päckchen wieder zurück gegeben (d.h. da hätte ich von vorn herein schon einfach mal gefragt, was die Dinger kosten), aber hier konnte ich das mangels Sprachkenntnissen ja nicht einmal sagen. Naja gut, hab ichs halt gekauft – hat mir gestunken – mit Batterien war ich nun versorgt. Gegenüber war eine Post, ich gab die Karte für Fozzi auf und kaufte noch 3 Briefmarken.

Dann fuhr ich weiter. Ich kam nun langsam ins Gebirge.

durch die Weinberge führt ein Kieselweg

In Villafranca ging ich in eine Albergue, da war ein Shop dabei und ich wollte Brot kaufen: pan. Der Mann schwallte mich auf Spanisch voll und ich sagte: "no hablo Espanol" Drauf fing der zu schimpfen an "No hablo Espanol, no hablo Espanol! ..." und ich verstand aus seinem Geschnatter noch "camino" und "russia". Anscheinend wollte er mir verklickern, dass ich auf dem Camino war und dieser nun mal in Spanien lag und nicht in Russland und ich das doch wissen sollte und daher Spanisch können sollte. Na hoppla! Sah ich aus wie eine Russin? "Du Arschloch, du impertinentes! Komm du mir nur nie nach Nürnberg und frag mich nach einem Stück Brot oder nach dem Weg, weil dich schick ich nach Sibirien! Du Wichser!" (Er hat meins ja genausowenig verstanden wie ich seins, hähä)

Villafranca

Ich fuhr weiter und kaufte in der Stadt in einer "modern panaria" ein Brot, das war noch warm, so frisch. Ich futterte gleich die Hälfte rein.

Dann fuhr ich weiter.

kriminelle Steinschlagstrecken

Ich war nun mitten im Gebirge, aber alles war noch fahrbar und gar nicht (so) steil. Nebenan war die Autobahn und ein Flüsschen und ich hoffte, der Weg blieb beim Fluss, dann konnts ja nicht so steil werden, weil Flüsse fließen ja bekanntlich nicht lange aufwärts ;-).

Wasserflaschen auffüllen!
Man sieht hier auch sehr schön, wie steil der Weg ist - und das über eine Strecke von 10 km

Aber bald ging der Weg vom Fluss und der Autobahn ab und wurde zu ner einsamen Landstraße. Nun fings wieder an: der übliche Pass – voll die Steigung. Sie war so steil, dass ich schon mit Schieben Probleme kriegte, denn schon Schieben war so derart anstrengend, dass mir der Puls nach halbacht ging. Ich schaffte es kaum.

Der Wegweiser ist einfach auf die Straße gemalt

Der Weg teilte sich dann in "Fußgänger" und "Bikes". Da fuhr ich mal lieber den Radweg, denn ich wusste mittlerweile, dass die "Fußwege" im Gebirge recht schnell in Kletterstrecken ausarten konnten, die mit dem Rad + Gepäck einfach nicht zu bewältigen waren. Der Radweg ging ums Eck, aber gleich war eine Steigung von bestimmt 20%! Ich konnte kaum rauf. Ich schaffte immer bloß ein paar Meter, dann musste ich wieder stehen bleiben, verschnaufen und Kräfte sammeln. Es war die letzte Schinderei! Es wurde darüber Mittag und ich keuchte und krabbelte immer noch meterweise den Weg hoch. Mittlerweile versuchte ich, nur noch von Schattenfleck zu Schattenfleck zu kommen und möglichst im Schatten stehen zu bleiben, denn es war so heiß und anstrengend, ich fürchtete jeden Moment umzukippen. Leider war aber so wenig und karger Bewuchs am Straßenrand, dass Bäumchen, Büsche und ihr Schatten zu weit auseinander standen. Es reichte mir die Energie meistens nicht, die Sonnenstrecken dazwischen durchzuschieben. Tröpfchen um Tröpfchen sabbte mir der Schweiß von den Handgelenken wie aus einem undichten Wasserhahn. Die Fliegen summten nur so um mich rum und sammelten sich auch um meine Augen: Alles, was nass war, wurde von ihnen bestürmt um davon zu trinken.

Es überholten mich – aber auch mit Keuchen und Würgen und einen Fliegenschwarm mit sich ziehend – vermutlich ein Vater mit seinem Sohn, der Kleine (vielleicht so 16) vorn weg, der Alte mit Müh und Not hinterher. Der Senior versuchte wahrscheinlich gerade verzweifelt sich um die Erfahrung herum zu winden, dass er nun langsam im Leben abtreten konnte und den Jungen vor lassen musste. Der Vater gab sein Bestes und Letztes, aber der Sohn war trotzdem schon 10 m weiter. Sie waren nicht wesentlich schneller als ich mit meinem Geschiebe und gewannen nur deswegen an Vorsprung, weil ich ja alle paar Meter erschöpft stehen blieb.

Ich krabbelte weiter in der Mittagshitze. Pause wollte ich erst machen, wenn ich oben war. Dann wollte ich meinen Käse von vorgestern fressen, mein Pan und meine Dose Bier. Ich freute mich drauf. Langsam war's aber nicht mehr lustig, denn ich pfiff echt aus dem letzten Loch und schaffte die Steigung kaum noch. Schließlich hockte ich mich doch hin, was mir unheimlich gestunken hat. Hockte ich erst mal ordentlich, mochte ich nicht mehr aufstehen. Hier hocken bleiben konnte ich aber auch nicht. Ich wollte dann also schon wo hocken, wo ich auch bleiben konnte.

die Autos glitzerten schon von weitem in der Sonne

Ich kam dem Gipfel immer näher und sah schon: Da droben standen ein Haufen Autos. War da ein Campingplatz? Ich krabbelte mit letzter Kraft rauf, erwartete eigentlich eine Kapelle oder einen Pilgerrastplatz, wo ich in Ruhe über meine Leistung staunen konnte und in mich gehen konnte. Jetzt waren da oben 1000e Leute, hielten zwischen ihren Autos Siesta, grillten, spielten, jubelten und feierten – oh no! Das war für mich der absolute Stimmungsschock, nein, als das packte ich nun überhaupt nicht. Ich war nicht mal grantig, nur so ne Art total vor den Kopf gestoßen vor Enttäuschung.

Satan-Ahriman sagte noch, ich sollte anhalten, ich hätte doch versprochen, dass ich auf dem Gipfel Pause machen würde, aber diese ganzen Arschkanacken zu Hauf hier oben packte ich echt überhaupt nicht. Da gings zu wie an nem Sommer-Sonntag im Marienpark (türkischer Grillplatz in Nürnberg)! Widerlich!!! Da oben war auch ein Markt, da verkauften sie Ramsch, also das war hier ein Volksfest oder ne Kirchweih oder sowas in der Art. Ein Bierzelt war da auch und drin hockte der blonde Spanier mit seinem Kumpel, der mich vorhin schon auf dem Rad überholt hatte und irgendeine blöde Anmache (die ich zum Glück nicht verstand) abgelassen hatte. Der freute sich als er mich sah und lud mich in seiner Bierlaune ein, mich zu ihm zu setzen. Ich schaute nur noch, dass ich hier wieder weg kam, nichts wie raus hier, lasst mich durch, aus dem Weg, nix wie weg hier, und so fand ich auch den Weg nach Pedrafita. Es ging endlich bergab, aber vor mir schlich ein Auto dumm rum mit 30 und der bremste mich voll aus! Ich setzte schon zum Überholen an (Fahrrad überholt Auto!), da drückte er drauf und war weg. Ich war stinkad, das kotzte mich alles voll an!

Aussicht von oben

Endlich war ich unten in Pedrafito und wollte noch ein Brot, weil das alte hatte ich schon fast weggenascht. In einer Bäckerei gestikulierte ich, dass ich ein Pan will. Weil die Pans hier aber offensichtlich nur in Meterware verkauft wurden, also Baguettes von fast nem Meter Länge, gestikulierte ich herum, dass die Bäckerin es in der Mitte durchschneiden soll. Schnitt die es also ab, packte aber beide Teile ein. "No no!" rief ich, das schaffte ich doch nicht, wollte doch nur 1 Hälfte. Die gab sie mir dann – endlich hatte sie es kapiert – wollte aber 1,20 Euro dafür. Beschiss! Das ist der Preis für das ganze Brot! Ey, die kotzten mich so an, dieses spanische Bauerngesindel! *ärger ärger* Das ganze Spanien kotzte mich nur noch an!

Ich suchte nun zum Essen ein stilles Plätzchen und den Camino, fand aber beides nicht. Als ich eine Frau nach dem Camino fragte, deutete die da rauf, wo ich grad herkam. Nein, also das konnte doch nicht wahr sein! Ich fragte noch mal jemanden anders und noch mal, aber offensichtlich ging der Weg oben am Berg wirklich woanders noch hin, d.h. ich musste wieder rauf! Das durfte nicht wahr sein!

Ich war so fertig jetzt, dass es mich nicht mal mehr gescheit ärgerte, ich hatte keine Power mehr, nicht mal mehr zum ärgern. Ich hockte mich auf die Treppen zu einem Friedhof und aß erst mal alles, was ich noch hatte: 1 Dose Spargel, den Käse von vorgestern, mein Pan und meine Dose Bier. Dann fuhr/schob ich weiter – wieder rauf (na gut, es waren nur 4 km und ich war ja noch längst nicht ganz herunten).

Jahrmarkt in O Cerreiro: die meisten waren schon gegangen

Ich musste tatsächlich nochmal durch diesen widerlichen Jahrmarkt. Es kamen mir schon viele Busse entgegen, also die meisten Idioten fuhren schon heim, aber trotzdem war da droben noch die Hölle los. Ich schob völlig entnervt das Rad durch die Menschenmenge und fotografierte noch den Topf, in dem die Tussi vorhin ganze Tintenfische rumgerührt hatte. Das Dorf O Cerreira war sehr schön, aber vor lauter Arsch-Markt sah man davon gar nichts mehr und ich schaute bloß noch zu, dass ich durch und fort kam.

Ich fuhr in die andere Richtung und fand dann auch den Camino wieder. Satan-Ahriman erinnerte mich daran, dass er noch gesagt hatte, ich sollte Rast machen und... "HALTS MAUL!!!" *ausrast*

Kuhstallgestank, Kuhkacke-Fliegen und Kuhfladen auf der Straße, Hühner gackerten, Ziegen meckerten, Hunde kläfften - ich fand sogar Albergues, aber da oben, wo die Kühe mit Kuhglocken frei auf der Straße rumliefen, mochte ich nicht übernachten. Satan-Ahriman wollte das nämlich. Aber ich wollte wenigstens ein bisschen was von der Abfahrt hinter mich bringen. Vor der hatte ich nämlich Schiss, weil meine Bremsen mittlerweile nur noch jaulten und deswegen wollte ich die Abfahrt einfach erledigt haben und mir dieses "Problem" von der Seele ablegen, damit ich nachts halbwegs ruhig schlafen konnte. Also fuhr ich bis Triacastela.

Es war schon spät, die Sonne verschwand schon hinter den Berggipfeln als ich in Triacastela ankam. Die eine Herberge war schon voll, da fuhr ich zu der anderen. Die kostete auch wieder 7 Euro. Für den Supermerkato packte ich meinen vorletzten 100er an. Satan-Ahriman sagte, mein Geld würde reichen, ausgenommen Mitbringsel und Rückfahrkarte. Naja gut.

Ich duschte mich und suchte ein ruhiges Plätzchen zum Tagebuch schreiben, fand aber keins. Es waren hier viele Jugendliche, war nicht so der Hit, aber war mir wurscht. Legte mich ab.

weiter zum
nächsten Tag...



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