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Wie du vielleicht schon in den Ritzer-Antworten gesehen hast, gibt es verschiedene Härtegrade an Ritzern. Da sind welche, die ritzen sich extra auffällig, um einen Appell an ihre Umwelt (Eltern) zu starten und lassen es auch bald wieder sein, wenn sie die gewünschte Reaktion nicht bewirken können. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich seit langen Jahren wirklich gefährlich ritzen und ihr Leben kaum mehr bewältigen können.

Das Ritzen muss daher nicht gleich als psychische Störung betrachtet werden, sondern kann auch nur ein momentaner Versuch sein, für sich Vorteile zu erreichen. Die Einsicht, dass Ritzen keine Problemlösung ist, ist in den leichten Fällen noch vom Ritzer selber zu erwarten. Anders ist das bei den Ritzern, die bereits von sich aus Hilfe suchen, weil sie mit ihrem Verhalten selber nicht mehr zurecht kommen.

Das Ritzen (sowie auch andere selbstverletzende Handlungen wie Verätzen, Verbrennen (mit Zigaretten), den Kopf gegen die Wand schlagen u.a.) ist ein Symptom der Borderline-Persönlichkeitsstörung.

Borderline-Persönlichkeits-Störung (BPS)

Borderline-Check

Eine Persönlichkeitsstörung liegt dann vor, wenn folgende allgemeinen Kriterien zutreffen (nach DSM-IV):

Eine Borderline-Persönlichkeitsstörung liegt dann vor, wenn zusätzlich noch mindestens 5 der folgenden Kriterien zutreffen:

Ich habe schon gemerkt, dass viele Ritzer oft noch sehr jung sind (14 bis 18). Daher können natürlich schlecht Aussagen gemacht werden, ob das Verhalten schon seit der Pubertät besteht, weil in der solchen bist du ja evtl. erst. Auch kannst du vielleicht keine Angaben dazu machen, wie du dich in Partnerschaften verhältst, da du noch keine ernstzunehmende Beziehung hattest.

Ursache

Ein Großteil der Betroffenen sind Frauen. Häufig haben Borderliner (in ihrer Kindheit) eine Gewalterfahrung gemacht; sie wurden also misshandelt und/oder sexuell missbraucht. Gelegentlich erfährt die Betroffene Flashbacks und erlebt damit die Szenen aus diesen Vorfällen immer wieder. Hinzu kommen manchmal akustische oder optische Erscheinungen und Illusionen, von denen die Betroffene aber weiß, dass sie nicht real sind (Pseudo-Halluzinationen).

Auch permanenter Stress oder erhebliche Verwahrlosung in der Kindheit kann Ursache für die Borderline-Persönlichkeitsstörung sein.

Man vermutet, dass die Borderline-Störung etwas Vererbliches ist und ein Gen als Veranlagung vorliegt.

Die Wirklichkeitssuche

Borderliner wollen die Realität finden und bewältigen und machen daher mit ihr außergewöhnliche Experimente: Indem sie sich oft lebensgefährlichen Risiken aussetzen meinen sie, die Wirklichkeit endlich zu spüren und in den Griff zu kriegen. Borderliner lieben daher Extremsportarten oder balancieren auf Baukränen und Brückengeländern herum, setzen sich auf Bahnschienen, bis vom herannahenden Zug schon das Zittern zu spüren ist usw.

Bevor zur Rasierklinge gegriffen wird, erlebt ein Ritzer oft ein sehr plötzliches Auftreten von (grundloser) Abneigung und Widerwille und daraus ergibt sich ein enormer innerer Spannungszustand. Meistens weiß die Betroffene nicht, welche Art von Abneigung sie hat, also ob sie nun wütend ist, sich schuldig fühlt, Angst hat oder sich schämt. Sie könnte nur am liebsten aus der Haut fahren vor lauter Widerwille und damit entwickelt sich natürlich eine Aggression. Diese inneren Spannungen können so stark sein, dass die Betroffene nicht mehr weiß, was Wirklichkeit ist oder wer sie selbst ist (Veränderung der Raum/Zeit- und Ich-Wahrnehmung).
Daneben gibt es auch Zustände, in denen die Betroffene einfach gar nichts fühlt und von einer emotionalen Taubheit erfüllt ist.

Diese Zustände sind äußerst quälend und um das zu bewältigen, versucht sich die Betroffene irgendwie wieder in die Realität zu bringen, indem sie sich ritzt. Das Schmerzempfinden ist dabei meist völlig ausgeschaltet und tritt erst wieder ca. 20 min nach dem Zustand ein.

Auswirkung

Schon mit den ersten Blutstropfen fühlt die Betroffene eine Entlastung, Entspannung, innere Ruhe und Geborgenheit. Die Stimmung wird gehoben, Konzentrationsfähigkeit und Kreativität erhöht sich und oft spürt die Ritzerin sogar Lust. Es ist ganz logisch, dass sie sich diese Lust immer wieder verschaffen will, so dass das Verhalten zur Sucht wird.

Natürlich ist das Ritzen für die Ritzerin im Moment eine sinnvolle Lösung des Problems. Anders als beim Alkoholiker oder Drogensüchtigen liegt bei der Ritzerin kein konkretes Problem vor, das sie lösen könnte. Deswegen versucht ein Therapeut im Gespräch, die verdrängten (Kindheits-)Erlebnisse und eigentlichen Probleme herauszufinden. Ist das Problem erst einmal gefunden, kann auch eine echte Lösung erarbeitet werden!

Aufgaben

Die Betroffene muss lernen, anders mit ihren Problemen umzugehen, die falschen Verhaltensmuster zu erkennen, aufzugeben und neue, richtige aufzubauen. Das ist überaus schwierig, denn es heißt, erst mal eine Weile ganz ohne Methode völlig hilflos dem Problem (dem Spannungszustand) ausgeliefert zu sein, bevor einem eine neue Methode einfällt. In dieser Phase kann man auch Selbstmord für die neue Lösung halten! (Die Selbstmordrate unter Selbstverletzern ist doppelt so hoch als bei Borderlinern, die sich nicht selbst verletzen.) Daher ist es wichtig, das Finden neuer Problemlösungsstrategien mit einem erfahrenen Therapeuten vorzunehmen.

Oft fühlt die Betroffene eine Sache und gleichzeitig deren Gegenteil, also: "Ich kann alleine nicht überleben, bin aber so wertlos und schlecht, dass es ja eine Zumutung ist, jemand anderes mit mir zu konfrontieren". In dieser Zerrissenheit baut sich dann die genannte Spannung auf, die dazu führt, sich selbst zu verletzen. Die Betroffene muss daher begreifen, dass es Kompromisse gibt und sehr wohl auch Möglichkeiten, beide Extreme zusammen zu einer sinnvollen Lösung zu führen! Das ist natürlich eine Sache, die von einem Experten geleitet werden sollte.

Wenn du nun meinst, dass die o.g. Beschreibung auf dich zutrifft, dann solltest du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, also einen Therapeuten aufsuchen!

Wenn du noch minderjährig bist, dann wende dich in dieser Sache an deine Eltern oder eine Person deines Vertrauens (Lehrerin, Großeltern, Tante, Mutter einer Freundin), damit du mit einem Therapeuten über deine Probleme sprechen kannst.

Die Aussicht auf Besserung mittels einer Therapie ist sehr hoch! Wird die Störung jedoch nicht behandelt, ist die Prognose sehr schlecht. Es führt sogar nicht selten zum Selbstmord.


Kleine Ratschläge für leichtere Fälle

Weil du zu allem möglichen viel stärkere Gefühle empfindest als andere Leute, tust du dich natürlich auch viel härter, etwas zu verarbeiten. Das entmutigt natürlich - so dass die negativen Gefühle nur noch stärker werden und du noch mehr Belastung empfindest.

Du (und deine Angehörigen, Helfer) musst daher mit dir große Geduld haben und darfst nicht zu viel von dir erwarten. Es ist auch falsch, wenn du dich mit den anderen Leuten vergleichst und meinst, du seist schwach oder minderwertig, weil diese viel mehr schaffen als du. Das stimmt nämlich nicht! Diese Leute haben längst nicht diese Gefühlslast mit sich herumzuschleppen wie du, es ist kein Wunder, dass sie da schneller und weiter kommen. Lass die nur mal das fühlen, was du fühlst und dann sieh mal zu, wo die landen und wer dann der Bessere ist!

Mach dir klar, dass Sachen, die sofort Erleichterung bringen, meistens keine wirkliche Lösung sind, sondern nur eine Betäubung! Wenn du wirklich eine Lösung für deine Probleme herbeiführen möchtest, so musst du dem mehr Zeit lassen und Geduld haben.

Wie lernst du Geduld zu haben? Indem du dir beweist, dass sich Probleme lösen, wenn du ihnen die Zeit dazu lässt. Versuche, zuerst einfach zu lösende Probleme zu lösen. Schreibe all deine Probleme und Ziele auf und die Methode, wie man sie wohl lösen oder erreichen könnte. Schreibe nicht "ich möchte, dass es mir nicht mehr so schlecht geht", sondern formuliere ganz genau "ich möchte nicht mehr so viel arbeiten, damit der Stress weniger wird". Schreibe auch dazu, was vermutlich dazu führen kann, dass das Problem nicht gelöst werden kann. Dann fällst du nicht aus allen Wolken und bist nicht so enttäuscht, falls du es nicht schaffst. Überlege nun, wie lang es vermutlich braucht, bis das Problem gelöst ist (3 Wochen, 6 Monate, 2 Jahre, 10 Jahre). Schreibe nun zu den Problemen, wie schwer sie dich belasten. Nun sieh zu, ob ein "schweres Problem" dabei ist, das auch innerhalb 6 Monaten zu lösen ist und beginne hier mit der Aufarbeitung. Du kannst so die positive Erfahrung machen, dass schwere Probleme in einem angemessenen Zeitraum lösbar sind! Wenn du das begriffen hast, wirst du auch automatisch mehr Geduld aufbringen können für Probleme, die längere Zeit in Anspruch nehmen.

Borderliner haben ein Problem, wenn ihre Vertrauensperson(en) außer Sichtweite ist. Sie empfinden eine geliebte Person einfach als völlig weg, nur weil sie gerade nicht sichtbar ist. Es ist daher hilfreich, von geliebten Personen immer etwas bei dir zu tragen (ein Foto, einen Liebesbrief, eine Kassette mit ihrer/seiner Stimme), damit du sie dir sofort vergegenwärtigen kannst. Du bist nämlich nicht alleine!

Liebe ist nichts Heiliges oder Überirdisches. Wir alle sind "nur" Menschen. Es gibt unter Menschen keine bedingungslose Zuneigung oder Liebe. Du kannst nicht erwarten, dass dich einer mehr liebt als sich selbst. Hab daher Verständnis, wenn dein Geliebter sich einmal von dir zurückzieht um etwas für sich selbst zu tun. Es heißt nicht, dass er dich dann nicht mehr liebt!

Verzweifle nicht an deinen Gefühlen! Merke: Du bist nicht das Gefühl, sondern du hast ein Gefühl! Das heißt auch: Wenn du gerade kein Gefühl hast, dann bedeutet das nicht, dass du nicht bist.

Wenn du denn schon mal weißt, welches Gefühl du hast, dann zeigst du dieses Gefühl meistens nicht richtig. Du wirst daher oft missverstanden und natürlich falsch von der Umwelt behandelt. Es ist deswegen wichtig, dass du deine Gefühle klar aussprichst! Rede mit den Leuten! Sag ihnen, was du gerade empfindest, denn sie wissen das nicht!

Die "negativen" Gefühle von Scham, Angst oder Minderwertigkeit gründen auf einer Überzeugung von dir. Du bist z.B. davon überzeugt, dass du hässlich bist und schämst dich daher. Eine Überzeugung ist ein Glaube: Als du anfingst, das zu glauben, war das vielleicht auch wirklich richtig! Aber ist es heute immer noch so? Zweifle deine Überzeugungen an und stell sie auf die Probe, ob sie noch stimmen. Hör dich um, was denn die anderen Leute so vom Objekt deiner Überzeugung halten und korrigiere deine Überzeugung. Beachte dabei: Wenn man schon einmal eine Überzeugung hat, hört man meistens das, was eh schon zu dieser Überzeugung passt - das andere überhört man gern oder vergisst man gleich wieder. Schreibe es daher auf und zähle am Ende einfach das Ergebnis ab!

Wenn an dieser Stelle und an jener Stelle das Leben leichter wird, so wird insgesamt der Stress geringer! Die Spannungsgefühle bauen sich dann nicht mehr so extrem auf und vielleicht schaffst du den Level, das Ritzen viel weniger oder sogar überhaupt nicht mehr nötig zu haben. Setze dir aber keine zu hohen oder kurzfristigen Ziele. Nimm Rücksicht auf dich und verzeih dir doch auch mal.

Außer sich zu ritzen, gibt es auch andere Methoden, sich die Realität bewusst zu machen:

Denk an Leuten, denen es schlechter geht. Am besten begib dich zu diesen Leuten und höre dir ihre Geschichten an. Lies die Bildzeitung und die Splattergeschichten darin. Wie froh wäre mancher, sein Schicksal mit deinem zu tauschen!

Wenn du ein Angehöriger oder Freund eines Ritzers bist, so mach ihm keine Vorwürfe über sein Verhalten! Wenn sich ein Ertrinkender in seiner Not am falschen Ding festhält um sein Leben zu retten, ist das tragisch, aber kein Manko dieses Menschen.
Dass ein/e RitzerIn in einer so unerträglichen Lebenssituation ist, ist nicht seine/ihre eigene Schuld: Er/Sie wurde von anderen dort hin gebracht. Das Ritzen ist lediglich ein (falscher) Versuch, dort wieder raus zu kommen. 


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