1905 baute mein Urgroßvater, der Buchbinder Konrad Nussel, das Haus in der
Auszug aus einem Mietbüchlein von 1939 |
In den Zimmern herrschte dichtes Gedränge: In den 2-Zimmer-Wohnungen wohnten Ehepaare mit bis zu 2 Kindern.
In seiner 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock rechts lebte Konrad Nussel mit seiner Frau. Das Schlafzimmer teilten sie sich mit ihrer mittlerweile erwachsenen Tochter Margarete. Sohn Peter hatte geheiratet und lebte mit seiner Frau Luise und seiner kleinen Tochter Renate bei seinen Eltern im Kinderzimmer.
Für die damalige Zeit waren das jedoch ganz normale Verhältnisse.
Unten rechts befand sich ein Laden. Konrad Nussel vertrieb darin Schnitt- und Kurzwaren, sowie Strümpfe, Socken, Schürzen und ähnliches.
1940 gab er den Laden jedoch auf und ließ ihn zu einer Wohnung umbauen. Nun endlich konnte Peter mit Familie aus der elterlichen Wohnung vom 1. Stock ins Erdgeschoss umziehen.
der Hof 1940, die 1-jährige Renate im Laufstall |
Als der Krieg kam prüfte man die Brandschutzmauern des Hauses und richtete aufgrund dessen stabilen Bauweise einen Luftschutzraum im Keller ein. Dort wurden Durchgänge in jede Zwischenwand gebrochen, um Notausgänge zu schaffen für den Fall, dass die Zugänge durch Beschuss verschüttet wurden. Bänke wurden aufgestellt. Die Sirene für den Fliegeralarm befand sich schräg gegenüber des Hauses auf dem Dach der Schule. Heulte sie auf, verschanzten sich die Bewohner des Hauses zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Kind und Kegel im Keller.
In allen Ecken und Etagen des Hauses standen stets mit Wasser gefüllte Wannen, Bottiche und Eimer. Eine Phosphorbombe (oder Teile von ihr) traf auch in einer Bombennacht das Dach, doch die Hausbewohner konnten den Brand löschen, bevor größerer Schaden entstand.
1945, die Kinder spielen im Hof Soldaten |
1945 - gegenüber des Hauses befand sich völlig freies Feld - da rückten die Amerikaner an und nahmen unter Beschuss, was sich bewegte. Ein Geschoss zerstörte das Wohnzimmer im
1946 ging die Miete wieder drastisch zurück auf
Armut und Not beherrschten das Leben.
in der Tür stehen Konrad und Grete Nussel mit einer Freundin |
Alle zwei Wochen kamen die "Dullnraamer" mit ihrem Wagen, verlegten ihre dicken Schläuche durch den Hausgang bis in den Hof und pumpten die Grube aus. Danach bauten sie ihre je ca. 3m langen Schlauchteile wieder auseinander, um sie im nächsten Haus wieder aufzubauen. Beim Auseinanderbau entfielen den Schläuchen natürlich Reste von Fäkalien, um die sich die derben Kerle nicht weiters scherten. Wer im Parterre soeben die Hausordnung hatte, musste hier für Sauberkeit sorgen.
Konrad, Grete und die Freundin am Fenster |
Groschenweise wurde nun die Miete erhöht. Im
Eine weitere Mieterhöhung auf
Sprunghaft erhöhte sich die Miete im
Mieterhöhung 1958 |
Noch immer war von Duschen oder gar Bädern nicht zu träumen: ein Waschbecken der Größe
Das Geschirr wurde in Spülwannen abgewaschen. Diese waren im Küchentisch versenkt und konnten mittels eines rollbaren Unterbaus aus dem Tisch hervorgezogen werden. Abflüsse oder Stöpsel gab es daran nicht. Nach dem Abspülen schleppte man die vollen Spülwannen zum Waschbecken und kippte sie darin aus - nicht zu fest und auch nicht alles auf einmal, sonst schwappte alles über.
1962 betrug die monatliche Gesamteinnahme der Mieten für alle
1962, ich im Hof |
1968 starb der Hausherr Konrad Nussel und vererbte das Haus seinen beiden Kindern Peter und Margarete Nussel. Mieterhöhungen wurden den Mietern nun durch derartige Wurstzettel im Briefkasten mitgeteilt.
Mieterhöhung 1968 |
Die Renovierung der Fenster übernahm der Hausherr, den Einbau der Fensterbrettchen in den Räumen mussten jedoch die Mieter selber zahlen (!). Die sparsame Frau Meier im
1973 starb das alte Fräulein Margarete Nussel.
Ihrem Bruder, Peter Nussel, gehörte das Haus nun ganz alleine.
Renovierung, Peter Nussel baut neue Türen ein |
Sobald ein Mieter auszog, wurde die Wohnung mit einem Bad ausgebaut. Um den Raum hierfür zu schaffen, musste manche Wand versetzt werden.
Sämtliche Gasgeräte wurden entfernt, so dass die Gasleitung komplett abgestellt werden konnte. Der Betrieb von Öfen und Herden wurde auf Strom umgestellt.
Auch außerhalb des Hauses verbesserte sich die Qualität: Die U-Bahn wurde gebaut und die Schweinauer Straße, bisher eine in beide Richtungen befahrene Hauptverkehrsader wurde für die Zeit des U-Bahn-Baus wegen der Baugrube völlig gesperrt. Nach Fertigstellung der U-Bahn wurde die Schweinauer Straße streckenweise zur Spielstraße und teilweise sogar nur für Fußgänger zugänglich gemacht, was die Wohnqualität um Längen erhöhte.
Obwohl eine ziemliche Wohnungsnot herrschte und Interessenten schon früh auf der Straße Schlange standen um sich auf ein Mietinserat zu melden, blieben die Mieten sehr human und niedrig.
Im Januar 1974 betrug die monatliche Gesamteinnahme der Miete für alle
Ein Inserat zwecks Vermietung in den Nordbayerischen Anzeiger kostete
1978 starb auch Peter Nussel. Seine Frau Luise erbte nun das Haus. Weiterhin wurden andauernd Wohnungen renoviert und ausgebaut, wobei es sich um langwierige und kostspielige Angelegenheiten handelte. Die letzte Wohnung, die 2-Zimmer-Wohnung im
Der Schuppen und die Remise im Hof wurden abgerissen, die Fassade und Dachrinne wurde gestrichen und Teile des Dachs wurden ausgebessert und neu gedeckt.
22 Jahre war das Haus im Besitz von Luise Nussel.
Seit 1998, als meine Mutter starb, bin ich nun hier eingezogen, wohnte im
Na? Hast du dich wohl im Chat als 20jähriges Mädchen ausgegeben, was? Ertappt! ;-) |
Leider habe ich jedoch eine kleine Schwester, der eine Hälfte des Hauses erbrechtlich zustand. Um meiner Schwester ihren Anteil auszahlen zu können, musste ich auf das Haus eine Hypothek aufnehmen. Alleine nur die Beantragung dieser Hypothek kostete € 450,00!
Bis zum Jahr 2010 zahle ich nun Raten von monatlich € 1.172,73.
Vierteljährlich leiste ich Einkommensteuervorauszahlungen von € 759,00,
und um das zu errechnen, zahle ich 1 x im Jahr beim Steuerberater ca. € 250,00.
Ebenfalls vierteljährlich wird die Grundsteuer von € 790,73 fällig.
Für die Putzfrau trete ich monatlich für die Erledigung der Hausordnung € 132,94 ab
und für Strom und Wasser € 75,00. Dies reicht aber selten, denn im Jahr 2002 musste ich bei der Jahresendabrechnung noch € 459,71 nachzahlen.
Für jährlich € 189,00 fegt die Fa. Arnold im Winter den Schnee fort und streut Sand.
Versicherungen wollen von mir im Jahr auch noch € 167,52.
Da nun nichts mehr übrig bleibt, zahle ich Reparaturen, die anfallen, von meinem Gehalt, sofern ich sie nicht selber durchführen kann.
Ich kann mir grad noch den Unterhalt dieser Homepage leisten! :-(
Erstveröffentlichung: 09.06.2002 |
www.SchweinauerStr29.de
|